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Werner, Micha H. (2001):

Die Verantwortungsethik Karl-Otto Apels

Würdigung und Diskussion.

Vorläufiges, nicht zitierfähiges Diskussionspapier.

Eine PDF-Version dieses Textes finden Sie hier.

Die überarbeitete Version ist erschienen in: Apel, Karl-Otto / Burckhart, Holger (Hg.): Prinzip Mitverantwortung: Grundlage von Ethik und Pädagogik. Würzburg: Königshausen & Neumann, S. 123-144.




Inhalt






Zum AnfangZusammenfassung

Der vorliegende Beitrag sucht zunächst zu klären, inwiefern die von Karl-Otto Apel entwickelte Diskursethik vor dem Hintergrund der verschiedenen Verwendungsweisen des Begriffs als "Verantwortungsethik" zu bezeichnen ist. Nach einer Skizze seines zweistufigen Modells der Diskursethik werden dessen Vorzüge gegenüber der jonasschen Ethik, ‚konventionellen' Institutionenethiken sowie der von Habermas vertretenen Variante der Diskursethik benannt (I). Sodann wird eine eigene Deutung der in der Sekundärliteratur thematisierten Probleme der apelschen Verantwortungsethik vorgeschlagen. Leitend ist die These, dass die in ›U‹ formulierte Unterstellung allgemeiner Normbefolgung eine Implikation des schon in ›D‹ enthaltenen semantischen Universalisierbarkeitspostulats darstellt, die erst bei zusätzlicher Beschränkung des Spezifitätsgrades der gemäß ›U‹ zu prüfenden Normen ein Zumutbarkeitsproblem aufwirft. Dies führt zur Auffassung, dass die Konstruktion eines Teils B der Diskursethik nicht erforderlich ist, um das Problem der Erfolgsverantwortung bewältigen und die ‚teleologischen' Normgehalte begründen zu können, die in Apels Bewahrungs- und Emanzipationsprinzip und im Konzept der primordialen Mitverantwortung bewahrt sind (II).

Zum AnfangI.

In seinem jüngst erschienenen Aufsatz "First Things First: Der Begriff primordialer Mit-Verantwortung: Zur Begründung einer planetaren Makroethik" bemerkt Karl-Otto Apel, "die neuartige Herausforderung einer planetaren, zukunftsbezogenen Verantwortungsethik »für die technologische Zivilisation«" sei "wohl am prägnantesten durch das Buch von Hans Jonas Das Prinzip Verantwortung von 1979 herausgestellt worden" [ 1 ]. Dabei war er selbst es, Karl-Otto Apel, der in seinem bereits 1972 publizierten Aufsatz "Das Apriori der Kommunikationsgemeinschaft und die Grundlagen der Ethik" [ 2 ] die "Ära der eigentlichen »Verantwortungsethik« angebrochen" [ 3 ] sah. Das "Zeitalter der Wissenschaft", bedürfe einer Ethik, welche "die solidarische Verantwortung" der Menschen "für die Auswirkungen ihrer Handlungen im planetarischen Maßstab" [ 4 ] aufweisen könne. In der Aufgabe, eine solche Ethik zu begründen, erkannte Apel die zentrale Herausforderung der damals noch um ihre disziplinäre Anerkennung ringenden praktischen Philosophie. Der Lösung dieser Aufgabe dient seither der größte Teil seiner philosophischen Bemühungen.

Die von Apel entwickelte Diskursethik als eine normativ-ethische Konzeption, die moralische Verbindlichkeit in der immanenten, ‚transzendental-pragmatischen' Normativität des dialogischen Sich-Rechtfertigens begründet sieht, scheint denn auch wie keine andere Ethik geeignet, das Phänomen moralischer Verantwortung unverkürzt zu rekonstruieren und sich selbst als Verantwortungsethik zu bestimmen. Von Anbeginn hat Apel die transzendentalpragmatische Diskursethik als Verantwortungsethik angelegt.



Zum Anfang Verwendungsweisen des Begriffs »Verantwortungsethik«

Diese Aussage bedarf indes der Präzisierung. Denn der Begriff "Verantwortungsethik" (im Folgenden: "VE") ist zwar weniger vieldeutig als der Begriff "Verantwortung" selbst; eindeutig ist er jedoch nicht. [ 5 ] Was also kennzeichnet eine Ethik als VE? In gewissem Sinne hat schließlich "jede Ethik stets mit Verantwortung zu tun, unter was für Namen auch immer" [ 6 ]. Dies allein reicht offenbar nicht aus, um eine normative Ethik als VE zu qualifizieren. Ebenso sinnlos wäre es, genau diejenigen Ethiken als VE zu bezeichnen, die von dem Begriff Verantwortung einen extensiven Gebrauch machen.

Besieht man die üblichen Verwendungsweisen des Begriffs "VE", so stößt man im wesentlichen auf drei verschiedene, wenngleich nicht völlig voneinander unabhängige Merkmale. Am leichtesten lassen sie sich indirekt, nämlich in Form von Negationen einführen. Folgenden drei Typen normativer Ethik wird VE üblicherweise entgegengesetzt: Erstens der Pflichten- bzw. Gebotsethik; zweitens der Gesinnungsethik; drittens Ethiken, die ausschließlich streng reziproke Handlungsverpflichtungen als moralische Normen vorsehen. Es soll kurz erläutert werden, was unter diesen Ethik-Typen zu verstehen ist und welche VE-Merkmale sich durch ihre Negation ergeben.

ad 1) Eine Ethik ist (im hier gemeinten Sinne) als Pflichtenethik zu bezeichnen, wenn sie eine Menge material gehaltvoller moralischer Pflichten als unmittelbar befolgungsgültig auszeichnet. [ 7 ] "Pflichten" werden dabei als moralische Präskriptionen verstanden, welche die Gestalt material gehaltvoller Handlungsregeln bzw. materialer Gebote haben. Man könnte daher auch von einem Regelmodell [ 8 ] normativer Ethik oder, mit Apel, von einer Gebotsethik [ 9 ] sprechen. Das erste (zugleich das schwächste und vagste) Kriterium kennzeichnet die VE als eine Ethik, die im Gegensatz zum Regelmodell normativer Ethik steht. VE in diesem Sinne ist, vorsichtig formuliert, durch ein vergleichsweise höheres Maß an Flexibilität bei der Ableitung situationsspezifischer Handlungsverpflichtungen gekennzeichnet. Moralisches Handeln wird hier nicht als sture ‚Anwendung' feststehender - sozusagen vorab verantworteter - ethischer Regeln konzipiert, sondern als ein seinerseits verantwortlicher, d. h. kritisch-reflexiver Akt der Applikation (und ineins auch der Begründung neuer?) moralischer Präskriptionen. Moralischen Akteurinnen bzw. Akteuren wird, wiederum vorsichtig formuliert, ein höheres Maß an Reflexions-, Begründungs- oder Abwägungskompetenz zugesprochen [ 10 ].

ad 2) Als Gesinnungsethik lässt sich eine Ethik bezeichnen, wenn sie die moralisch gültige Handlungsweise ohne Berücksichtigung der situationsspezifisch erwartbaren Handlungsfolgen zu bestimmen sucht. Dieser Begriff von Gesinnungsethik ist nicht exakt deckungsgleich mit demjenigen Max Webers, soll jedoch der Hauptintention seiner Gegenüberstellung zwischen Gesinnungsethik und VE gerecht werden. [ 11 ] Das entsprechende VE-Kriterium besagt, dass im Rahmen einer VE die Prognose der in der konkreten Situation antizipierbaren Folgen und Nebenwirkungen einer Handlungsweise für deren moralische Bewertung relevant ist. Den entsprechenden VE-Typ kann man als Ethik der Erfolgsverantwortung bezeichnen. Dieses Kriterium wird natürlich auch von teleologischen Ethiken erfüllt. Keineswegs alle Ethiken, die als VE dieses Typs zu kennzeichnen sind, sind jedoch teleologisch. Teleologische Ethiken müssen darüber hinaus zwei Zusatzbedingungen erfüllen: Erstens muss die ethische Bewertung der Handlungsweise der Bewertung der Folgen und Nebenwirkungen strikt äquivalent sein; zweitens, muss die Bewertung der Folgen und Nebenwirkungen ohne Rekurs auf normativ-ethische Maßstäbe erfolgen. [ 12 ]

ad 3) In einer dritten Bedeutung ist diejenige Ethik als VE zu charakterisieren, die auch asymmetrische moralische Verpflichtungen zu begründen sucht. Die so verstandene VE sucht daher auch moralische Verpflichtungen gegenüber Nicht-Moralsubjekten - bzw. gegenüber ‚Noch-nicht-Moralsubjekten' wie Embryonen oder zukünftigen Generationen - aufzuweisen. [ 13 ] Damit ist sie Ethiken entgegengesetzt, die, wie der Kontraktualismus, nur die Beziehungen zwischen aktuell interaktionsfähigen Moralsubjekten für moralisch relevant halten. Eine Ethik, die diesem VE-Kriterium genügt, kann man als Ethik der Fürsorgeverantwortung bezeichnen. Nur eine solche Ethik kann auch die Gestalt einer ‚planetaren Makroethik der Verantwortung' bzw. einer Zukunftsverantwortungsethik annehmen, die eine Pflicht zur Wahrung der Fortexistenz "echten menschlichen Lebens" beinhaltet. [ 14 ] Allerdings muss eine solche Ethik nicht die Asymmetrie aller moralischen Pflichten postulieren, wie dies Jonas in seinem - freilich nur als Ergänzung, nicht als Ersatz ‚traditioneller' Ethiken konzipierten [ 15 ] - "Prinzip Verantwortung" für nötig hielt. Es reicht aus, dass in ihrem Rahmen auch nicht-reziproke moralische Pflichten begründet werden können. Das schließt nicht aus, dass eine Ethik, die das dritte VE-Kriterium erfüllt, einen Kern strikt reziproker Verhaltenserwartungen beinhaltet, die den asymmetrischen Normen begründungsarchitektonisch vorgelagert sind.

Diese drei VE-Kriterien erlauben es, die wichtigsten der gängigen Verwendungsweisen des Begriffs "VE" zu umreißen. Es ist daher m. E. sinnvoll, diese Kriterien zu unterscheiden, obwohl es zwischen ihnen zumindest Affinitäten gibt, [ 16 ] so dass viele Ethiken, die als VE verstanden werden wollen, mehrere VE-Kriterien zugleich erfüllen.

Zum AnfangI. 2. Erfolgs-, Zukunfts- und Mitverantwortung in Apels Diskursethik

Apels transzendentalpragmatische Diskursethik (im Folgenden: DE) sucht allen drei Kriterien gerecht zu werden. Das Regelmodell normativer Ethik erklärt Apel von Anfang an für obsolet. Schon Kant habe, vermöge seiner "Begründung der »Autonomie« des gesetzgebenden »guten Willens« die Ära der heteronomen Gebotsethik überwunden". [ 17 ] Allerdings habe er "die Situationsabhängigkeit der Geltung materialer Normen und damit das Problem der moralischen Verantwortung für alle Folgen und Nebenfolgen nicht hinreichend reflektiert" und "damit zugleich eine »Gesinnungsethik« begründet", die durch die ‚eigentliche' VE abgelöst werden müsse. Deren Pointe formuliert Apel, der sich dabei explizit auf Max Weber bezieht, mit den Worten: "Es kommt letztlich nicht auf den »guten Willen« an, sondern darauf, dass das Gute geschieht." [ 18 ]

Die transzendentalpragmatische DE wird hier explizit als VE im Sinne des ersten und vor allem des zweiten Kriteriums, d. h. als eine Ethik der Erfolgsverantwortung im Sinne Max Webers, ausgezeichnet. Implizit, ihrem systematischen Anspruch nach, sucht sie jedoch auch das dritte VE-Kriterium einzulösen. Das wird schon durch das von Apel ursprünglich formulierte Grundprinzip der DE deutlich, das besagt, "dass alle Bedürfnisse von Menschen - als virtuelle Ansprüche - zum Anliegen der Kommunikationsgemeinschaft zu machen sind, die sich auf dem Wege der Argumentation mit den Bedürfnissen aller übrigen in Einklang bringen lassen" [ 19 ] - die Bedürfnisse zukünftiger Generationen sind hier offenbar eingeschlossen. Noch deutlicher wird es im Zusammenhang mit Apels Forderung einer Überlebens- und einer Emanzipationsstrategie der Menschheit, [ 20 ] Strategien also, die sich auf die Wahrung der Existenz und die Verbesserung der soziokulturellen Lebensbedingungen der Menschheit insgesamt richten. [ 21 ] Apels Ethik ist daher als eine Ethik der Fürsorge- und Zukunftsverantwortung zu bezeichnen.

In jüngster Zeit hebt Apel verstärkt einen weiteren, hier bislang unbeachtet gebliebenen Aspekt seiner Verantwortungsethik hervor, der durch den Begriff der primordialen Mitverantwortung namhaft gemacht wird. [ 22 ] Mit diesem Begriff zielt Apel auf einen reflexiven Verantwortungstypus, nämlich auf die prospektive, zunächst nicht spezifischen Personen zurechenbare, also von jeder Rollenverantwortung radikal verschiedene, moralische Verantwortung aller Mitglieder der unbegrenzten Argumentationsgemeinschaft für (a) die diskursive Thematisierung moralrelevanter Probleme überhaupt (in diesem Sinne spricht Apel zugespitzt von einer Verantwortung ‚für alles und jedes aber nichts Bestimmtes' [ 23 ]) sowie für (b) die effiziente Institutionalisierung der Verantwortung zur Lösung der jeweils thematisierten moralrelevanten Probleme, also für die Etablierung von Strukturen, innerhalb derer dann auch eine effizienzorientierte Zuteilung spezifischer Rollenverantwortlichkeiten stattfinden kann.

Zum AnfangI. 3. Zweistufige Architektonik der apelschen Diskursethik

Bekanntlich hat Apel die in "Das Apriori..." angelegte Grundidee zu einer zweistufigen Konzeption der DE entfaltet. Ihre Grundzüge sollen hier knapp skizziert werden. Statt von der in "Das Apriori..." gegebenen Formulierung des ‚Grundprinzips' der DE geht Apel in der folgenden Zeit von Habermas' Vorschlag eines diskursethischen Universalisierungsprinzips ›U‹ aus, wonach eine Norm genau dann gültig ist, "wenn die Folgen und Nebenwirkungen, die sich aus einer allgemeinen Befolgung der strittigen Norm für die Befriedigung der Interessen eines jeden Einzelnen voraussichtlich ergeben, von allen zwanglos akzeptiert werden können" [ 24 ]. Apel vertritt nun die These, dass trotz der in ›U‹ geforderten Berücksichtigung der "Folgen und Nebenwirkungen" das Problem der Erfolgsverantwortung i. S. Max Webers nicht vollständig auf der Ebene des habermasschen Universalisierungsgrundsatzes gelöst werde:
"Auf der Ebene des argumentativen Diskurses, der [...] in eigentümlicher Weise vom geschichtlich-irreversiblen Handeln des Menschen entlastet ist, kann die von Habermas vorgeschlagene Formel aufgrund ihrer Berücksichtigung der »Folgen und Nebenwirkungen der allgemeinen Befolgung von Normen« in der Tat als ideales Prinzip einer Verantwortungsethik gelten; nicht so dagegen auf der Ebene der geschichtsbezogenen Anwendung dieses Prinzips. Hier verwandelt sich die Vorstellung der umstandslosen Anwendung vielmehr in die zynische Zumutung einer reinen »Gesinnungsethik« im Sinne von Max Weber." [ 25 ]
Dies gelte deshalb, weil eine allgemeine Befolgung U-gemäßer Normen durch alle Moralsubjekte in der realen Handlungswelt nicht unterstellt werden könne - bzw. nicht verantwortlicherweise [ 26 ] unterstellt werden dürfe, wenn diejenigen, die ihr Handeln strikt an den U-gemäßen Normen orientierten, nicht unzumutbaren Risiken und Benachteiligungen ausgesetzt werden sollten.

Die Auffassung, dass ›U‹ aufgrund der Unterstellung allgemeiner Normbefolgung verantwortungsethisch defizient sei, ist m. E. freilich nur unter Zugrundelegung einer bestimmten (und überdies kaum konsistent formulierbaren!) Lesart von ›U‹ überzeugend - ich werde auf diese Behauptung unten in Teil II.5 zurückkommen.

Ausgehend von der Defizienzthese stellt Apel dem ‚idealisierenden Teil A' der DE - welcher seinerseits die Ebene der Prinzipienbegründung (A1) sowie die Ebene der (von konkreten geschichtlichen Anwendungssituationen noch abstrahierenden) Begründung materialer Moralnormen in praktischen Diskursen (A2) umfasst - einen ‚Teil B' zur Seite, der als ‚geschichtsbezogene', ‚abstraktionskompensatorische' und ‚moralisch-strategische' Ergänzung des idealisierenden Kerns der Diskursmoral eine gesinnungsethisch-rigoristische Applikation von U-gemäßen Moralnormen verhindern und auch noch im Fall der Unzumutbarkeit dieser Normen eine zumindest regulative moralische Orientierung bereitstellen soll.

Dieser Teil B der apelschen DE umfasst ein ‚moralisch-strategisches' Ergänzungsprinzip ›E‹, das sich, der "dialektischen Konstellation im Apriori der Kommunikationsbedingungen" [ 27 ] entsprechend, in zwei Teilprinzipien verzweigt: das ‚Bewahrungsprinzip' (das zur Mitarbeit an der Erhaltung der biologischen und soziokulturellen Grundlagen der realen Kommunikationsgemeinschaft verpflichtet) und das ‚Emanzipations-' bzw. ‚Veränderungsprinzip' (das die Mitarbeit an der Verbesserung der sozikulturellen Bedingungen der realen Kommunikationsgemeinschaft im Sinne einer approximativen Annäherung an Bedingungen der idealen Kommunikationsgemeinschaft zur Pflicht macht). [ 28 ]

Gemäß Teil B der DE kann es, sofern von einer allgemeinen Befolgung U-gemäßer Normen nicht ausgegangen werden kann, unter Umständen ethisch vertretbar sein, strategisch zu handeln, sich also über die U-gemäßen Moralnormen hinwegzusetzen - sofern und soweit dieses Handeln am doppelten Ziel der Bewahrung der biologischen und soziokulturellen Bedingungen und der Verbesserung des Zustandes der realen Kommunikationsgemeinschaft orientiert ist. Auf diese Weise wird die Herstellung der Bedingungen der ‚Anwendbarkeit' (i. S. der Zumutbarkeit) U-gemäßer Moralnormen selbst zum Gegenstand einer ‚regulativ-teleologischen' diskursethischen Verpflichtung.

Zum AnfangI. 4. Diskursethische Aufhebung von Hans Jonas' »Prinzip Verantwortung«

Bemerkenswert an diesem Modell ist die unmittelbare Verschränkung des Aspekts der Erfolgsverantwortung im Sinne Webers mit Prinzipien der Fürsorge- und Zukunftsverantwortung, die im Zentrum der Jonasschen Ethik stehen. [ 29 ] Jedoch wird die Perspektive der Zukunftsverantwortung in einer Weise erweitert, die zugleich eine (später explizit formulierte [ 30 ]) Kritik der ausschließlichen Fixierung auf die Pflicht zur Sicherung der Menschheitsexistenz der Menschheit beinhaltet. Zum einen stellt schon das Bewahrungsprinzip eine Erweiterung des in Jonas ‚kategorischem Imperativs' [ 31 ] formulierten Gehalts der VE dar, insofern es eine Verpflichtung zum Erhalt auch der soziokulturellen Errungenschaften der realen Kommunikationsgemeinschaft (z. B. i. S. der Verwirklichung von Gerechtigkeitsstandards, kommunikativen Freiheits- und Partizipationsrechten) umfasst. Dies bedeutet zumindest eine Präzisierung der in Jonas' Rede von der Permanenz ‚echten' menschlichen Lebens zwar intendierten, aber nicht hinreichend explizierten Zielvorgabe. Zum anderen stellt Apel dem Bewahrungsprinzip das Emanzipations- bzw. Veränderungsprinzip zur Seite, das den moralischen Kerngehalt der neuzeitlich-aufklärerischen Fortschrittsidee, die Pflicht zur Verbesserung des Zustands der realen Kommunikationsgemeinschaft, normativ zu rekonstruieren sucht. Damit rückt Apel zugleich die von Jonas vorgetragene Kritik an Blochs "Prinzip Hoffnung" zurecht, ohne sich freilich dessen geschichtsphilosophisch-spekulative Perspektive zu eigen zu machen. [ 32 ]

Zum AnfangI. 5. Diskursethische Aufhebung konventioneller Institutionenethiken

Als kritisch-bewahrende Aufhebung kann man Apels DE auch im Hinblick auf (i. S. Kohlbergs) ‚konventionelle' Institutionenethiken ansehen, welche Verantwortung schlechthin nur im Rahmen von - individuellen Handlungsentscheidungen immer schon vorausgehenden und die Zurechnung von Handlungsverantwortung allererst konstituierenden - gesellschaftlichen Strukturen denken können. [ 33 ]

Das Konzept der primordialen Mitverantwortung stellt gleichsam das positive Gegenmodell zu diesen von Apel schon früh kritisierten konventionalistischen Ethiken vor. Bestechend an diesem Gegenmodell ist vor allem, dass es das Faktizitätsapriori der ‚immer schon' existierenden und in der Tat handlungskonstitutiven Institutionen (z. B. konventionellen Verhaltenserwartungen und traditionellen Ethos-Normen, aber auch professionellen Rollenzuteilungen und Zurechnungsregeln etc.) gar nicht verleugnen muss - und gleichwohl durch den Hinweis auf die Unhintergehbarkeit der von Apel so genannten Metainstitution der Sprache [ 34 ] (einschließlich ihrer moralisch relevanten pragmatischen Implikationen) ein kritisches Korrektiv aller historisch kontingenten Normierungen anzugeben und damit dem Faktizitätsapriori ein Gültigkeitsapriori gegenüberzustellen vermag. Dass die ‚kommunikative Verflüssigung' gesellschaftlicher Institutionen Grenzen hat, ja: dass die Möglichkeit und Fruchtbarkeit diskursiver Problemlösung selbst von institutionellen Verfestigungen abhängt, hat Apel bekanntlich weit früher reflektiert als Habermas, der institutionentheoretische Überlegungen erst spät in seine praktische Philosophie einfließen ließ.

Zum AnfangI. 6. Apel contra Habermas: Verantwortungsethische Ausdehnung statt kontextualistischer Verkürzung des Zumutbarkeitsbereichs der Diskursethik

Aktuell bedeutsamer ist eine andere Differenz zwischen der apelschen und der habermasschen Variante der DE. Habermas hat nämlich zwar Apels Diagnose inzwischen akzeptiert, dass die Befolgung U-gemäßer Normen durch einzelne Moralsubjekte mit unzumutbaren Härten für diese verbunden sein kann, wenn nicht mit einer allgemeinen Befolgungspraxis zu rechnen ist: "Im Lichte des Moralprinzips" so formuliert er nun, "werden Normen nur unter der (in ›U‹ explizit genannten) Voraussetzung einer Praxis allgemeiner Normbefolgung als gültig ausgezeichnet. Wenn diese Bedingung nicht erfüllt ist, sind Normen unangesehen ihrer Gültigkeit nicht zumutbar." [ 35 ]

Diese Zumutbarkeitslücke glaubt er aber nicht mehr innerhalb der Domäne der Moralphilosophie schließen zu können; vielmehr vollzieht an dieser Stelle den "Übergang von der Moral- zur Rechtstheorie" [ 36 ]: Nicht die Moral selbst, das Recht soll die hinreichend allgemeine Durchsetzung der moralischen Normgehalte sicherstellen und dadurch zu Verhältnissen beitragen, unter denen Moral überhaupt allererst zumutbar würde. [ 37 ]

Apel hat diesen Versuch einer Lösung des von Habermas und ihm übereinstimmend diagnostizierten Zumutbarkeitsproblems [ 38 ] m. E. zu Recht zurückgewiesen, indem er u. a. dargelegt hat, dass sich jedenfalls ein "moralischer Grund für Recht überhaupt" [ 39 ] - und das impliziert auch: eine moralische Rechtfertigung für den Rechtszwang - auf der Basis der habermasschen Konzeption einer Verzweigung der Normsetzungsdiskurse und der daraus folgenden Gleichrangigkeit rechtlicher und moralischer Normgeltung in Wahrheit nicht mehr gewinnen lasse. [ 40 ] Die Herstellung von Bedingungen, unter denen U-gemäße Moralnormen aufgrund ihrer hinreichend allgemeinen Befolgung zumutbar werden, kann nämlich nach Habermas nicht mehr selbst Gegenstand einer diskursethisch aufweisbaren moralischen Präskription sein. Habermas selbst hat schon in einem älteren Text auf dieses Problem hingewiesen: Die Frage, wie "sich reflexives moralisches Handeln, also eine Praxis, die auf die Realisierung notwendiger Bedingungen für ein menschenwürdiges Dasein und die Einrichtung von Diskursen abzielt, moralisch rechtfertigen" lasse, gebe es, so konstatierte er damals, "nur tentative [...] Antworten". Indes sei diese Frage "in unseren Breiten [...] glücklicherweise nicht aktuell" [ 41 ]. In den m. W. derzeit letzten Ausführungen zum Thema hat Habermas kürzlich konzediert, dass sich dieses "Problem des moralisch selbstbezüglichen Handelns" auch durch den erwähnten ‚Übergang zur Rechtstheorie' "nicht ganz" auflösen lasse [ 42 ].



Zum AnfangII.

Indes enthalten umgekehrt auch Habermas' Ausführungen zur apelschen VE Momente einer berechtigten Kritik. Seine Kritik der von Apel vorgeschlagenen moralstrategischen Ergänzung des präskriptiven Gehalts des Universalisierungsgrundsatzes [ 43 ] trifft z. T. Probleme, die frühzeitig auch auf transzendentalpragmatischer Seite - v. a. von Dietrich Böhler [ 44 ] - erkannt und inzwischen ausgiebig diskutiert worden sind. [ 45 ]

Zum AnfangII. 1. Habermas contra Apel: Probleme der Apelschen Verantwortungsethik

Für diesmal möchte ich diese Probleme anhand eines Zitats von Habermas einführen:

"Apel sieht selbst, dass die »moralische Verantwortung für die Institutionalisierung von Recht und Moral« ein bestimmtes Ziel auszeichnet und nicht selbst als eine allgemeine Norm - oder im Lichte einer schon als gültig anerkannten Norm - gerechtfertigt werden kann. Die von ihm vorgeschlagene »Ergänzung« des Universalisierungsgrundsatzes hat einen teleologischen Charakter und sprengt die deontologische Erklärungsperspektive. Ein Handeln, das sich die Realisierung von Verhältnissen, unter denen moralisch gerechtfertigtes Handeln erst allgemein möglich und zumutbar würde, zum Ziel setzt, kann sich nicht selbst Maßstäben dieser Moral vollständig unterwerfen." [ 46 ]

Habermas' Argumentation scheint an dieser Stelle zweideutig: Liegt das Problem schon im teleologischen Charakter des von Apel vorgesehenen ‚Ergänzungsprinzips', in der bloßen Tatsache, dass ›E‹ "ein bestimmtes Ziel auszeichnet"? Oder liegt es in der Selbstbezüglichkeit eines Prinzips, das die Herstellung von Bedingungen der Zumutbarkeit eben derjenigen Diskursmoral fordert, zu deren präskriptiven Gehalten es gleichwohl selbst gehören soll?

Der Sache nach ist m. E. klar, dass der teleologische Charakter des Ergänzungsprinzip als solcher nicht problematisch sein kann. Wenn einer Handlungsverpflichtung das Attribut "teleologisch" zugeordnet wird, weil sie die Verwirklichung eines bestimmten Zieles einfordert, so ist in einem anderen Sinn von Teleologie die Rede, als wenn wir eine Konzeption normativer Ethik "teleologisch" nennen - wenngleich beide Bedeutungen natürlich verwandt sind. Dass eine deontologische Ethik Normen beinhalten kann, die im ersten Sinne "teleologisch", d. h. Optimierungsgebote sind, ohne ihres deontologischen Charakters verlustig zu gehen, scheint mir selbstverständlich - sonst wäre ja bereits beispielsweise schon die von Kant formulierte Pflicht, die Glückseligkeit anderer zu fördern, mit einer deontologischen Ethik unvereinbar. Die Tatsache, dass eine Handlungsverpflichtung "ein bestimmtes Ziel auszeichnet", impliziert deshalb nicht, dass diese Verpflichtung "nicht selbst als eine allgemeine Norm [...] gerechtfertigt werden kann". Sollte Habermas dies meinen, wäre dieser Teil seiner Kritik an ›E‹ jedenfalls unberechtigt.

Komplizierter verhält es sich mit Habermas' Einwand der Selbstbezüglichkeit der apelschen DE. [ 47 ] Die Formulierungen, in denen Apel die Idee der verantwortungsethischen Ergänzung der DE anfänglich hatte fassen wollen, schienen in der Tat eine problematische Form von Selbstbezüglichkeit nahe zu legen. Dies gilt etwa für Apels Forderung, die DE müsse auch noch die Pflicht zur "Mitarbeit an der langfristigen Herstellung der Anwendungsbedingungen der Diskursethik" begründen. [ 48 ] Offenbar muss ja ‚die' DE - oder wenigstens ein Teil ihrer Präskriptionen - schon in irgend einer Weise ‚anwendbar' sein, wenn aus ihr eine derartige Verpflichtung (für diese Situation) soll abgeleitet werden können. Es ist daher korrekter zu formulieren, dass ›E‹, das eine Teilprinzip der DE, für die Anwendbarkeit des anderen Teilprinzips ›U‹ bzw. für die Anwendbarkeit der aus ihm resultierenden (U-gemäßen) Normen sorgen muss. Apel hat dies inzwischen klargestellt und betont, dass sich die von ihm angenommene "Ergänzungsbedürftigkeit des im Sinne von (U) aufgefassten Moralprinzips [...] von der von Habermas unterstellten Ergänzungsbedürftigkeit des Moralprinzips überhaupt " [ 49 ] unterscheidet.

Durch diese formal korrektere Beschreibung (oder Lesart) der Architektonik der apelschen VE sind die zugrundeliegenden Probleme jedoch m. E. nicht vollständig gelöst. Zwar ist die Zirkularität in der Verweisungsstruktur der Grundprinzipien der DE beseitigt. An ihre Stelle tritt jedoch eine Prinzipienkonkurrenz, von ›U‹ und ›E‹, die insofern problematisch ist, als offen bleibt, nach welchen Kriterien zu ermitteln und zu entscheiden ist, welches der beiden Prinzipien in einer Situation jeweils ‚anzuwenden' ist.

Eine Möglichkeit wäre nun, diese Prinzipienkonkurrenz als ein nicht allgemein auflösbares Kollisionsproblem zu behandeln, und an die Urteilskraft der moralischen Akteurinnen und Akteure zu appellieren, die ihrerseits nicht mehr durch externe Kriterien angeleitet sei. Diese Möglichkeit ist sicher nicht in Apels Sinne, will er doch durch ›E‹ gerade aus dem Bereich einer kriterienlosen Urteilskraft hinausweisen. [ 50 ] Eine andere Möglichkeit läge darin, eines der beiden Prinzipien dem anderen vor- oder überzuordnen. Wirklich gibt es Passagen, in denen Apel den Anschein erweckt, dass ›E‹ ›U‹ übergeordnet sei, etwa, wo er ›E‹ "als Moralprinzip für die Maximenwahl des einzelnen" [ 51 ] bezeichnet. Insgesamt muss man jedoch bezweifeln, ob Apel hier wirklich für eine Überordnung von ›E‹ über ›U‹ plädiert. Tatsächlich hätte diese zur Folge, dass die Handlungsorientierung stets ‚moralstrategisch', allein gemäß den Zielvorgaben von ›E‹ zu erfolgen hätte. Die U-gemäßen Normen würden dann nicht mehr bloß unter Zumutbarkeitsvorbehalt gestellt; vielmehr würden sie ihren Status radikal verändern: Sie wären gar nicht mehr gültige deontologische Moralnormen, sondern nur noch Situationsmerkmale eines soziokulturellen Sollzustandes, den es gemäß ›E‹ zielstrebig zu verwirklichen gilt. Ohne hier die Probleme dieser Option im Detail diskutieren zu können, halte ich sie für nicht akzeptabel, u. a. weil sie in Probleme führt, die von teleologischen Ethiken bekannt sind. Die dritte Möglichkeit läge darin, ein höherstufiges Prinzip zu etablieren, das es u. a. ermöglichen müsste, Handlungssituationen, in denen ein Handeln nach U-gemäßen Normen bereits zumutbar ist, von denjenigen zu unterscheiden, in denen eine strategische Handlungsorientierung zur Erreichung der in ›E‹ formulierten Ziele geboten scheint.

Zum AnfangII. 2. Das Diskursprinzip als primordiales Moralprinzip

Aber welcher Art könnte ein gegenüber ›U‹ und ›E‹ höherstufiges Prinzip sein? Zunächst ist klar, dass, wenn es ein solches Prinzip geben sollte, es sich hierbei - und nicht etwa bei ›U‹ oder ›E‹ - um das eigentliche Moralprinzip handeln würde. Denn dieses Prinzip - nicht ›U‹ oder ›E‹ - könnte als das in jeder denkbaren Handlungssituation verbindliche Handlungsregulativ und damit - sofern es explizit als Handlungsprinzip formuliert würde - als Kategorischer Imperativ i. S. Kants angesehen werden.

Diese Lesart scheint in der Tat Apels Auffassung am nächsten zu kommen. So spricht Apel schon in dem erstmals 1986 erschienenen Beitrag, in dem er seine Konzeption eines verantwortungsethischen Teils B der DE zum ersten Mal differenzierter ausgearbeitet hat, von "einem einzigen Prinzip der diskursbezogenen Verantwortungsethik", zu dem sich "das Prinzip (E) [...] mit dem Prinzip (Uh) auf der höchsten Stufe der moralischen Urteilskompetenz zusammen" [ 52 ] schließe. Und in seinem bislang letzten, dem "dritten Versuch, mit Habermas gegen Habermas zu denken" betont er, es bestehe "ein Unterschied zwischen dem primordialen Diskursprinzip der Philosophie, einschließlich des zugehörigen primordialen Moralprinzips, und dem in (U) formulierten [...] Prinzip der geforderten Konsensfähigkeit der Normen bzw. ihrer Folgen »für alle möglichen Betroffenen«" [ 53 ]. Sozusagen an der Spitze der transzendentalpragmatischen DE muss also ein einziges Moralprinzip gedacht werden, das Apel als primordiales Moralprinzip bezeichnet und als Moment des allgemeinen philosophischen Diskursprinzips auffasst. Dieses besagt, dass eine Äußerung genau dann rational gültig ist, wenn sie universell, d. h. im Rahmen eines (kontrafaktisch unterstellten) unbegrenzten Diskursuniversums konsensfähig ist. Als Moralprinzip muss das Diskursprinzip freilich in die Gestalt eines Handlungsprinzips gebracht werden. Dietrich Böhler formuliert es folgendermaßen:

"Verhalte Dich so, dass Deiner Behauptung bzw. Deinem Plan oder Deiner Tat alle aufgrund von sinnvollen und situationsgerechten Argumenten zustimmen würden (so dass kein sinnvolles situationsbezogenes Argument damit unvereinbar wäre, sondern ein begründeter Konsens in der unbegrenzten Argumentationsgemeinschaft dafür zu erwarten ist)." [ 54 ]

Dieses Prinzip "D" kann und muss m. E. in der Tat als höchstes Prinzip der transzendentalpragmatischen DE verstanden werden.

Zum AnfangII. 3. Im Diskursprinzip implizierte Universalisierungspostulate

Nun kann man m. E. Folgendes nicht bestreiten: In der oben zitierten Formulierung impliziert ›D‹ verschiedene Universalisierungsforderungen. Aus der Logik argumentativer Begründung folgt nämlich zunächst, wie u. a. Richard M. Hare gezeigt hat, [ 55 ] dass Argumente, die zur Rechtfertigung "Deiner Behauptung bzw. Deinem Plan oder Deiner Tat" vorgebracht werden, einem semantischen Universalisierbarkeitskriterium genügen müssen. Rational zustimmungsfähig kann "Deine" Handlung niemals deshalb sein, weil es eben "Deine" - d. h. die eines bestimmten numerisch identischen Subjekts - ist. Gleiches gilt für den Verweis auf "diese", numerisch identische, Situation. Vielmehr wird die Rechtfertigung dieser Tat notwendig zugleich als Rechtfertigung aller anderen ‚gleichartigen' Handlungen gelten können müssen, die unter qualitativ identischen Situationsbedingungen (einschließlich z.B. der in universellen Termini beschreibbaren personalen Eigenschaften der Akteurin bzw. des Akteurs sowie der Betroffenen) vollzogen werden. [ 56 ]

(Die kognitive Transformation dieser meiner konkreten Tat in eine vollständig in universellen Termini beschreibbare Handlungsweise ist nun freilich nur eine Voraussetzung einer rationalen Handlungsrechtfertigung. Als Bedingung einer gelungenen Handlungsrechtfertigung fordert Hare darüber hinaus, dass ‚ich' [als Akteurin oder Akteur] meine Tat auch noch in der Form einer allgemeinen Handlungsweise bejahen kann. Aber diese Forderung ist eindeutig zu schwach, um die Funktion eines Moralkriteriums zu erfüllen. [ 57 ] Als eine Ethik, die den methodischen Solipsismus zugunsten eines intersubjektivistischen Vernunftbegriffs verabschiedet hat, braucht sich die DE auch nicht mit ihr zu begnügen. Ihr zufolge muss die fragliche allgemeine Handlungsweise nicht nur von mir, sondern sie muss auch von allen anderen Vernunftsubjekten, d. h. ‚von uns' als kommunikativ vergemeinschafteten ‚Intersubjekten' [ 58 ] und als virtuellen Mitgliedern der unbegrenzten Argumentationsgemeinschaft, rational akzeptiert werden können. [ 59 ])



Zum AnfangII. 4. Die Befolgungsunterstellung als Implikation des Diskursprinzips

Wenn es nun richtig ist, dass der mit Böhler als Handlungsprinzip formulierte Diskursgrundsatz ›D‹ u. a. das semantische Universalisierungspostulat impliziert, dann wirft dies die Frage auf, worin der verantwortungsethisch relevante Unterschied zwischen ›D‹ und ›U‹ besteht, der dafür verantwortlich ist, dass zwar ›D‹ als in jeder Situation ‚anwendbares' bzw. ‚zumutbares' Moralprinzip, als Kategorischer Imperativ, gelten kann, nicht jedoch ›U‹ (bzw. das von Apel in ein Handlungsprinzip transformierte Prinzip ›Uh‹).

Apel sieht ja die Ursache für die von ihm diagnostizierte verantwortungsethische Insuffizienz von ›Uh‹ in der in ›U‹ enthaltenen Unterstellung allgemeiner Normbefolgung. Nun lässt sich aber m. E. leicht zeigen, dass die kontrafaktische Unterstellung einer allgemeinen Befolgung der jeweils zu prüfenden Moralnorm, eine Implikation des semantischen Universalisierungspostulats darstellt, das wiederum seinerseits in ›D‹ impliziert ist. Das semantische Universalisierungspostulat impliziert ja, dass eine Handlungsweise, die Aussicht auf rationale Rechtfertigbarkeit haben soll, sich vollständig ohne den Gebrauch singulärer Termini muss formulieren lassen können. Das aber bedeutet, dass die Rechtfertigung der ‚nicht-allgemeinen Befolgung' [ 60 ] einer fraglichen Moralnorm N unmöglich als Rechtfertigung einer singulären Handlung interpretiert werden kann, die nur in ‚dieser' (nur indexikalisch identifizierbaren) Situation Legitimität beanspruchen kann. Vielmehr muss sie sich stets als Rechtfertigung einer sozusagen ‚höherstufigen' - genauer gesagt: spezifischeren - Norm N2 verstehen lassen, welche ihrerseits für sich eine universelle Gültigkeit prätendieren muss.

Wenn nun aber die Unterstellung einer allgemeinen Befolgung der gemäß ›U‹ auf ihre moralische Gültigkeit zu prüfenden Normen als eine Explikation des semantischen Universalisierungspostulats verstanden werden kann, die ihrerseits implizit bereits in ›D‹ enthalten ist, dann ist nicht ohne weiteres zu verstehen, warum die unmittelbare Orientierung an ›Uh‹ verantwortungsethisch inakzeptabel sein soll, die Orientierung des als Handlungsprinzip interpretierten Diskursgrundsatzes ›D‹ jedoch nicht.



Zum AnfangII. 5. Abstraktheit moralischer Normen

Hier kann ich auf die These zurückkommen, die oben in Teil I.3 zunächst hatte zurückgestellt werden müssen. Ich hatte dort behauptet, die Auffassung, dass die unmittelbare Orientierung an ›Uh‹ aufgrund der in ›U‹ enthaltenen Unterstellung allgemeiner Normbefolgung verantwortungsethisch inakzeptabel sei, habe nur Gültigkeit, wenn man von einer bestimmten Lesart von ›U‹ ausgehe. Das Entscheidende an dieser Lesart liegt m. E. in der Annahme, dass der Spezifikationsgrad derjenigen Normen, die als Kandidaten moralischer Gültigkeit gemäß ›U‹ geprüft werden, als prinzipiell limitiert angesehen wird - während dies bei Handlungsweisen, die auf ihre Vereinbarkeit mit ›D‹ geprüft werden, nicht der Fall sein darf, wenn nicht auch hier ein Zumutbarkeitsproblem auftreten soll. [ 61 ]

Merkwürdigerweise ist diese Annahme selten systematisch reflektiert und begründet worden. Vor allem Habermas spricht zwar immer wieder von den "Abstraktionsleistungen", die im Zuge der an ›U‹ orientierten Normenbegründung erbracht werden müssten, sowie von der "Abstraktheit" dieser Normen. Dass hiermit eine Abstraktion von "Umständen der konkreten Handlungssituation" gemeint sei, hatte er indes zunächst, gegen die Kritik Rüdiger Bubners, ausdrücklich bestritten:

"Sobald wir Handlungsweisen oder Normen unter dem Gesichtspunkt prüfen, ob sie im Falle allgemeiner Verbreitung bzw. Befolgung die ungeteilte Zustimmung aller potentiell Betroffenen finden würden, sehen wir [...] nicht von ihrem Kontext ab [...]. Das moralische Urteil darf [...] nicht vor der Kontingenz und Mannigfaltigkeit der konkreten Lebensumstände, unter denen die Orientierung im Handeln jeweils problematisch wird, die Augen verschließen." [ 62 ]
Indes formuliert Habermas - noch im selben Beitrag - auch eine andere, mit dieser Auffassung unvereinbare Deutung der in Begründungsdiskursen zu erbringenden Abstraktionsleistungen, indem er die Notwendigkeit einer "Abstraktion von den Handlungskontexten" schließlich doch einräumt und von ‚dekontextualisierten' Fragen spricht, die innerhalb universalistischer Ethiken allein zum Gegenstand gemacht werden könnten. [ 63 ] Später erklärt er dann die "Abstraktion von den lebensweltlichen Kontexten, von den konkreten Umständen des Einzelfalls" eindeutig für "in der Tat unumgänglich bei der Beantwortung der Frage, ob strittige Normen und Handlungsweisen moralisch richtig sind und die intersubjektive Anerkennung der Adressaten verdienen." [ 64 ]



Zum AnfangII. 6. Lesarten des Universalisierungsprinzips

Nun kann man allerdings fragen: Wie lässt sich die These, in Zusammenhängen der Normenbegründung müsse von spezifischen Merkmalen der konkreten Anwendungssituationen abstrahiert werden, mit dem diskursethischen Verständnis von Moralbegründung vereinbaren, dem zufolge die Rechtfertigbarkeit moralischer Normen sich gerade an ihrer argumentativen Akzeptierbarkeit durch die Teilnehmer eines nach Möglichkeit realen Diskurses vor dem Hintergrund ihrer wirklichen Interessen und Wertorientierungen und der in der faktischen Handlungswelt zu erwartenden empirischen Folgen und Nebenwirkungen - und eben gerade nicht bloß an ihrer Akzeptierbarkeit durch die als reine Vernunftwesen innerhalb eines geschichtsenthobenen, intellegiblen ‚Reichs der Zwecke' konzipierten Moralsubjekte ohne Bezugnahme auf reale Handlungsfolgen - bemisst?

Auf diese Frage hat Klaus Günther in seiner 1988 erschienen Dissertation "Der Sinn für Angemessenheit" eine Antwort gesucht. Deren Grundzüge sind im Folgenden von Habermas (und, wie es scheint, auch von Apel) akzeptiert worden. Günther unterschneidet eine ‚stärkere' von einer ‚schwächeren' Interpretation von ›U‹ und behauptet, dass nur letztere plausibel sei. [ 65 ] Der Unterschied zwischen beiden Interpretationen soll darin bestehen, dass im Rahmen der schwächeren Deutung in Diskursen, die der Begründung ethischer Normen dienen, idealerweise ‚nur' alle Merkmale einer bestimmten Anwendungssituation berücksichtigt werden sollen, während die stärkere Deutung - freilich wiederum nur idealiter - die Berücksichtung aller Merkmale aller möglichen Anwendungssituationen verlangt. Was Günther indes übersieht, ist die Tatsache, dass der "Mikrokosmos einer jeden einzelnen Situation" nicht nur "ebenso unendlich" ist "wie der Makrokosmos aller Situationen, in denen eine Norm anwendbar ist" [ 66 ], sondern dass die beiden Kosmoi überdies (ähnlich wie im Weltbild der Renaissance) unmittelbar korrespondieren. Die Berücksichtigung eines ‚Merkmals einer Situation' ist nämlich gleichbedeutend mit der Abgrenzung dieser Situation von anderen Situationen. Wäre daher die Aufgabe geleistet, alle Merkmale einer Situation zu erfassen, so wäre diese eine Situation tatsächlich von allen (qualitativ) anderen Situationen eindeutig unterschieden und die fragliche Moralnorm könnte in einer Weise begründet werden, die sie strictu sensu universell anwendbar machen würde, da durch ihre expliziten Anwendungskriterien sichergestellt wäre, dass sie nur in strikt qualitativ identischen Situationen Anwendung fände. Die vermeintlich bescheidenere Strategie, sich im Rahmen von Begründungsdiskursen ‚nur' auf ‚eine' Situation zu beziehen, lässt sich also gar nicht gegen die vermeintlich vermessenere Strategie ausspielen, die sich in Wahrheit nur dadurch von jener unterscheidet, dass sie die - aus hermeneutischen Gründen unvermeidbare! - Notwendigkeit des (wenigstens impliziten) Vergleichs der vorliegenden Situation mit anderen Anwendungssituationen eingesteht.

Wenn diese Überlegungen richtig sind, dann folgt daraus, dass wir auf der idealisierenden Prinzipienebene nicht schon von einer Beschränktheit des Spezifikationsgrades der gemäß ›U‹ zu begründenden Handlungsnormen ausgehen dürfen, wenn wir nicht - zugespitzt formuliert - ähnlich wie Kant auf dem letzten Stück des Wegs von der Pflichten- zur Prinzipienethik stecken bleiben wollen. [ 67 ] Sofern wir von einer prinzipiell unbegrenzten Spezifizierbarkeit der gemäß ›U‹ zu rechtfertigenden Normen ausgehen, ergibt sich jedoch aus der Unterstellung der Allgemeinheit der Normbefolgung kein Problem der Zumutbarkeit von ›U‹ mehr, denn Situationsbedingungen, wie beispielsweise der Befolgungsgrad einer bestimmten allgemeinen Norm N (z. B. des Wahrhaftigkeitsgebots) in der Handlungssituation S, können in die Formulierung des Bedingungssatzes einer explizit auch für S Gültigkeit beanspruchenden Norm N2 einfließen.



Zum AnfangII. 7. Zumutbarkeit als Kollisionsproblem

Die vorigen Überlegungen sollten erstens zeigen, dass die Auffassung, eine unmittelbare Orientierung an ›Uh‹ sei aufgrund des kontrafaktischen Charakters der in ›U‹ enthaltenen Unterstellung allgemeiner Normbefolgung verantwortungsethisch problematisch, nicht überzeugend ist, wenn wir nicht die Zusatzannahme machen, dass der Spezifikationsgrad der zu prüfenden Normen prinzipiell beschränkt ist. Zweitens sollte gezeigt werden, dass diese Zusatzannahme keineswegs zwingend, bislang nicht in überzeugend formuliert und vermutlich im Rahmen der DE gar nicht konsistent formulierbar ist. Ich möchte nun noch auf andere, schlichtere Weise deutlich machen, warum es unzureichend ist, die Möglichkeit der Unzumutbarkeit idealgültiger Moralnormen unter Realbedingungen als Resultat der in ›U‹ formulierten Befolgungsunterstellung zu betrachten:

M. E. ist zwar nicht zu bestreiten, dass der Mangel an ‚moralischer' Handlungsorientierung in der geschichtlichen Handlungswelt die Unzumutbarkeit prima facie gültiger moralischer Normen zur Folge haben kann. Die nicht-allgemeine Befolgung einer abstrakten Norm (z. B. des Tötungsverbots) kann Grund für Unzumutbarkeit dieser abstrakten Norm sein. Offensichtlich ist sie aber weder eine hinreichende noch eine notwendige Bedingung für die Unzumutbarkeit dieser Norm: Nur weil in Bürgerkriegssituationen vielfach gegen das Tötungsverbot verstoßen wird, ist dieses Verbot keineswegs schlechthin unzumutbar - sondern doch wohl nur dann, wenn gerade eine akute Notwehrsituation vorliegt. Ebenso wenig folgt aus einer Praxis verbreiteter Unwahrhaftigkeit unmittelbar, dass auch mir das schlechthin Lügen erlaubt wäre - es müssen schon weitere Zusatzbedingungen vorliegen (z. B., dass ich mich nur durch eine ‚Notlüge' vor gravierender Verleumdung schützen kann). Überdies kann die Befolgung einer Norm auch dann unverantwortlich bzw. unzumutbar sein, wenn sie von allen anderen befolgt wird. Auch bei allgemeiner Beachtung des Wahrhaftigkeitsgebots mag es legitim sein, dem gerade aus der Narkose erwachten Krebspatienten seine infauste Prognose zunächst zu verschweigen. Ebenso wird die Zumutbarkeit der Verpflichtung, einen Ertrinkenden zu retten, kaum von der Frage beeinflusst, wie verbreitet Maßnahmen zur Rettung Ertrinkender sind; auch unabhängig vom Befolgungsgrad der Rettungspflicht kann das Risiko für den potentiellen Retter zumutbar oder inakzeptabel sein. [ 68 ] Vielleicht kann auch das in Ibsens ‚Wildente' thematisierte Problem der Lebenslüge als Beispiel für obige These dienen.

Betrachtet man Situationen, in denen ‚eigentlich' gültige Normen intuitiv unzumutbar oder wenigstens verantwortungsethisch problematisch scheinen, so wird man als Gemeinsamkeit feststellen können, dass hier stets eine Kollision verschiedener prima-facie-gültiger abstrakter moralischer Pflichten oder prima facie legitimer allgemeiner Rechte vorliegt. Um die DE als VE i. S. einer Ethik der Erfolgsverantwortung zu konzipieren ist es daher m. E. auf der Prinzipienebene ausreichend, den Gesichtpunkt (›D‹) anzugeben, unter dem in derartigen Kollisionsfällen eine allgemeine Regelung gefunden werden kann, die aus der Perspektive aller Vernunftsubjekte (einschließlich der potentiell Betroffenen) legitim ist. Die Rechtfertigung einer solchen Regelung aber ist eine Aufgabe der Normenbegründung, die, anders als Günther und Habermas annehmen, [ 69 ] nicht strukturell von der Aufgabe der Begründung der jeweils kollidierenden (prima facie gültigen) Normen unterschieden werden kann - d. h. weder ein bloßes Problem kluger Normenapplikation darstellt, noch eine Aufgabe, die in spezifischen, von Begründungsdiskursen prinzipiell unterschiedenen ‚Anwendungsdiskursen' geleistet werden müsste. Ich kann an dieser Stelle die Implikationen der vorgeschlagenen Deutung des Problems der Erfolgsverantwortung nicht hinreichend deutlich machen; m. E. sind sie mit den allgemeinen philosophischen Annahmen der Transzendentalpragmatik völlig vereinbar. Eine der Voraussetzungen dieser Deutung liegt in der Annahme, dass es möglich ist, die hermeneutisch-sinnkritischen Einwände zu entkräften, die Albrecht Wellmer gegen mehrere im Rahmen der Transzendentalpragmatik vorgenommene Idealisierungen vorgetragen hat - und ebenso seine Einwände gegen Richard M. "Hares Idee einer unbegrenzten Spezifizierbarkeit moralischer Prinzipien" [ 70 ] Auch die hier vorgeschlagene Deutung nimmt diese - regulative - Idee nämlich in Anspruch; und mir scheint, dass eine Prinzipienethik, die den Rigorismus des Regelmodells normativer Ethik konsequent überwinden will, diese regulative Idee unvermeidlich in Anspruch nehmen muss.



Zum AnfangII. 8. Einwände

Aber ist die Interpretation des Problems einer Ethik der Erfolgsverantwortung als Problem einer im und für den Einzelfall zu leistenden Begründung hinreichend spezifischer - aber dennoch universelle Geltung prätendierender - Normen nicht allzu schlicht?

Erstens könnte eingewandt werden, das Problem der Institutionalisierung realer Diskurse sei bislang noch gar nicht thematisiert worden. In der Tat resultieren ethische Probleme aus der Tatsache, dass die DE als Idealverfahren der Prüfung einer Handlungsweise auf moralische Richtigkeit reale Diskurse unter Einbeziehung aller Betroffenen ansieht, während doch die Durchführung solcher Diskurse zugleich bereits selbst eine - potentiell moralisch relevante - Handlung darstellt. [ 71 ] Allerdings handelt es sich m. E. hierbei nicht um prinzipielle Schwierigkeiten, die besondere Vorkehrungen auf der moralphilosophischen Prinzipienebene erforderlich machen würden. Auch jeder Fall, in dem die Durchführung (oder weitere Ausdehnung) eines realen Diskurses mehrerer Moralsubjekte unzumutbar scheint, kann und muss vielmehr als Fall einer Normenkollision betrachtet werden, in dem die diskursethische Verpflichtung zur Durchführung realer Diskurse mit anderen diskursethisch rechtfertigbaren Normen kollidiert. Irritierend ist freilich die Tatsache, dass - scheinbar - eben diejenige Praxis, die allererst der ethischen Prüfung der fraglichen Handlungsweise dienen soll, selbst als eine - potentiell verantwortungsethisch problematische! - Handlungsweise thematisiert werden kann. Wenn man sich jedoch vergegenwärtigt, dass es sich erstens auch bei der Verpflichtung zur Durchführung realer Diskurse - wie prinzipiell bei allen material gehaltvollen Normen - nur um eine Prima-facie-Verpflichtung handelt (das diskursethische Moralprinzip impliziert nicht als kategorische, d. h. in jeder Situation befolgungsgültige Forderung: "Führe Diskurse!"), und dass zweitens nach transzendentalpragmatischer Auffassung kein kategorialer Unterschied zwischen dem an ›D‹ orientierten inneren Dialog eines einsamen Moralsubjekts und einem an ›D‹ orientierten ‚realen' Diskurs zwischen mehreren Moralsubjekten besteht, da ja beide - im Gegensatz zu dem nur als regulative Idee denkbaren unbegrenzten Gültigkeitsdiskurs - mehr oder weniger defizitär und insofern in ihren Ergebnissen notwendig fallibel sind, [ 72 ] dann wird klar, dass auch allgemeine Normen der Diskursbeschränkung Gegenstand eines an ›D‹ orientierten und insofern auf die regulative Idee eines unbegrenzten Diskursuniversums bezogenen (fiktiv-gedankenexperimentellen, oder auch retrospektiven realen) Rechtfertigungsdiskurses werden können - und müssen.

Aus apelscher Perspektive liegt noch ein zweiter Einwand nahe: Die hier angestellten Überlegung verbleibe in den Grenzen der Handlungstheorie. Das interaktionistische Paradigma sei jedoch zu beschränkt, um den Zusammenhängen der systemisch integrierten modernen Gesellschaften gerecht zu werden. Dadurch komme auch ein Großteil der verantwortungsethischen Probleme, die sich innerhalb dieser Gesellschaften stellten, gar nicht erst in den Blick. Dieser Einwand scheint mir indes nicht überzeugend. Denn ethische, auch verantwortungsethische Probleme sind prinzipiell Orientierungsprobleme von Vernunftsubjekten; nur diese, nicht die ‚Systeme' selbst, sind als moralische Akteure zugleich Adressaten ethischer Argumente. Aus ihrer Perspektive müssen die sogenannten ‚Sachzwänge' bzw. ‚Systemimperative' jedoch grundsätzlich als (mit anderen Orientierungen kollidierende) moralisch relevante rationale Handlungsorientierungen rekonstruierbar sein, wenn ihnen überhaupt ethische Relevanz soll beigelegt werden können. [ 73 ] Der von Apel vor allem gegen Peter Ulrich gerichtete Verweis auf die Notwendigkeit eines sozialwissenschaftlichen Methodendualismus scheint daher irrelevant. Zudem bleiben Apels Ausführungen bezüglich der prekären Frage, wie handlungs- und systemtheoretische Theorieelemente konzeptionell verknüpft werden können, unklar. So überzeugend seine These einer generellen epistemologischen Komplementarität zwischen ‚Erklären und Verstehen' ist, so wenig wird doch klar, wie die für den Bereich der Sozialwissenschaften von ihm postulierte "Mitte zwischen Ulrich und Luhmann" [ 74 ] widerspruchsfrei gedacht werden könnte - gibt es doch gute Gründe für die Annahme, dass Luhmanns radikaler Konstruktivismus mit einer interaktionistisch-hermeneutischen Perspektive unvereinbar ist.

Nun erhebt sich noch eine dritte Frage. Wir hatten ja schon gesehen, dass in Apels VE der Aspekt der Erfolgsverantwortung i. S. Webers von Anfang an mit den Prinzipien der Fürsorge- bzw. Zukunftsverantwortung verschränkt ist. Nötigt daher die vorgeschlagene Deutung des Problems der Erfolgsverantwortung als Kollisionsproblem nicht zu einem Verzicht auf regulativ-teleologische Orientierungen - und damit zu einem Verzicht auch auf wesentliche, möglichst nicht preiszugebende Gehalte einer Ethik der Zukunftsverantwortung sowie auf die von Apel zur Geltung gebrachte Idee der primordialen Mitverantwortung? Mir scheint: nein. Im Gegenteil lassen sich normative Gehalte wie die Sorge um das Wohlergehen zukünftiger Generationen, die Bewahrung und Verbesserung der Diskursbedingungen und die effiziente Organisation von moralischer Zuständigkeiten m. E. bereits innerhalb des ‚Teils A' der DE als gültige Normen begründen - im Kern sogar dialogreflexiv als gültig erweisen. Damit entspricht ihr Status demjenigen von anderen, ja ebenfalls z. T. reflexiv aufweisbaren, immer nur prima facie befolgungsgültigen ‚mittleren Prinzipien', wie etwa dem Wahrhaftigkeitsgebot. Wenn diese Überlegungen richtig sind, so erlaubt auch die Deutung des (erfolgs-) verantwortungsethischen Zumutbarkeitsproblems als Kollisionsproblem die Begründung des mitverantwortlichen Engagements für die erfolgsverantwortliche Etablierung zukunftsverantwortlicher Institutionen.



Zum AnfangII. 9. Fazit

Die transzendentalpragmatische DE bietet die Möglichkeit, moralische Verantwortung unverkürzt zu begründen und sich als Ethik der Erfolgs-, der Fürsorge- und Mitverantwortung zur Geltung zu bringen. Apels Versuch, dem Problem der Erfolgsverantwortung durch eine zweistufige Konzeption der DE zu begegnen, ist jedoch teilweise zu Recht kritisiert worden. Einige der Unklarheiten, die den Status von ›U‹ und ›E‹ in ihrem Verhältnis zum Moralprinzip betreffen, sind im Dialog zwischen Apel, Böhler, Gronke u. a. inzwischen ausgeräumt worden. Was noch genauerer Betrachtung bedarf, ist die weithin geteilte Annahme, dass die in ›U‹ formulierte Unterstellung allgemeiner Normbefolgung verantwortungsethisch problematisch sei. Hier wurde argumentiert, dass die Befolgungsunterstellung eine Implikation des schon in ›D‹ enthaltenen semantischen Universalisierbarkeitspostulats darstellt, die erst bei zusätzlicher Beschränkung des Spezifitätsgrades der zu prüfenden Normen Verantwortungsprobleme aufwirft. Falls dies richtig sein sollte, ergäbe sich die Möglichkeit einer Deutung des Problems der Erfolgsverantwortung als Kollisionsproblem und damit der Vereinfachung des Prinzipienteils der DE. Die Konsequenzen dieser Sichtweise konnten hier indes nur unzureichend angedeutet werden.



Zum AnfangAnmerkungen

[ 1 ] Apel (2000), S. 21.

[ 2 ] Apel (1973b); der Beitrag basiert auf einem 1967 gehaltenen Vortrag.

[ 3 ] Apel (1973b), S. 427, Anm. 111.

[ 4 ] Apel (1973b), S. 361.

[ 5 ] Vgl. Werner (1994); Werner (2000)

[ 6 ] Erbrich (1983), S. 666.

[ 7 ] Der Begriff "befolgungsgültig" verdankt sich Marcel Niquet; vgl. Niquet (1996). Eine unplausible Verkürzung stellt m. E. die Gleichsetzung der so charakterisierten Pflichtenethik mit deontologischer Ethik dar, wie sie in der angelsächsischen Diskussion mitunter zu finden ist; vgl. z.B. Davis (1991); ähnlich McNaughton (1998), S. 890. Es ist "nicht jede deontologische Ethik [...] als Pflichtenethik zu charakterisieren" Nida-Rümelin (1993), S. 83; vgl. Werner (2000a).

[ 8 ] Der hier in Anspruch genommene Begriff "Regel" bzw. "Regelmodell" entspricht ungefähr der Verwendung bei Dworkin und Alexy; vgl. Alexy (1985), S. 71 ff.; Dworkin (1984).

[ 9 ] Apel (1973b), S. 427, Anm. 111; vgl. dazu weiter unten.

[ 10 ] Dieser Aspekt trittz. B. in der medizinethischen VE-Diskussion oft in den Vordergrund; vgl. beispielhaft - mit bedenklicher, quasi-dezisionistischer Tendenz - Wagner (1993); zum Kontext und zur Erklärung dieses Phänomens: Wiesing (1995).

[ 11 ] Vgl. v.a. Weber (1988).

[ 12 ] Vgl. klassisch Frankena (1973), S. 14 ff. (dt. Ausgabe Frankena (1994), S. 32 ff.).

[ 13 ] Paradigmatisch für diesen VE-Typ ist zweifellos Jonas' "Prinzip Verantwortung" (Jonas (1979)); auf eine entsprechende Interpretation von VE rekurriert z.B. Döbert (1995).

[ 14 ] Jonas (1979), S. 36; vgl. zum Konzept der "Zukunftsverantwortung" Böhler (2000) und weitere Beiträge dieses Bandes.

[ 15 ] Jonas (1979), S. 26.

[ 16 ] So besteht z.B. zwischen dem ersten und dem zweiten VE-Kriterium ein einseitiges Implikationsverhältnis: jede Ethik, die dem zweiten VE-Kriterium genügt, genügt auch dem ersten - vorausgesetzt, man leugnet nicht die Unmöglichkeit einer unbegrenzt komplexen Pflichtenethik, die schlechthin alle möglichen Anwendungssituationen vorab berücksichtigt hätte.

[ 17 ] Hier ist freilich eine entscheidende Anschlussfrage zu stellen: Hat Kant tatsächlichdas Regelmodell normativer Ethik als solches (vollständig) verabschiedet? Oder hat er bloß die Heteronomie der traditionellen Gebotsethik durch seine Ethik des kategorischen Imperativs überwunden, ohne jedoch den Übergangvon der Pflichten- bzw. Gebotsethik zu einer postkonventionellen Prinzipienethik bruchlos und vollständig zu vollziehen? Ist er also, wie dies einige Beispielargumentationen Kants in der Tat nahe legen, dem Regelmodell normativer Ethik doch zum Teil verhaftet geblieben? M. E. hängt von dieser Frage auch die Haltbarkeit des Gesinnungsethik-Vorwurfs ab, wie z. B. Höffes Versuch illustriert, Kants Ethik durch eine Hochinterpretation des Maximenbegriffs gegen diesen Vorwurf zu verteidigen; vgl. u. a. Höffe (1977), S. 369 ff.

[ 18 ] Apel (1973b), Anm. 111.

[ 19 ] Apel (1973b), S. 425; vgl. auch Apel (1988c), S. 202 f.

[ 20 ] Apel (1973b), S. 432.

[ 21 ] Die Frage der moralischen Anspruche nicht-argumentationsfähiger Lebewesen wird von Apel anfangs ausgeklammert und auch in dieser Rekonstruktion keine Rolle spielen.

[ 22 ] Vgl. u. a. Apel (2000).

[ 23 ] Vgl. das Interview mit Karl-Otto Apel sowie seinen Beitrag "Diskursethik als Ethik der Mit-Verantwortung" in diesem Band.

[ 24 ] Habermas (1983), S. 103; Habermas hat ›U‹ inzwischen geringfügig abgewandelt; vgl. die m. W. derzeit aktuellste Formulierung in Habermas (1996), S. 60.

[ 25 ] Apel (1988b), S. 127.

[ 26 ] Dieses "verantwortlicherweise" ist angezielt mit dem von Niquet geprägten und von Apel aufgegriffenen Begriff der Reziprozitätsverantwortung; vgl. Niquet (1996); Apel (1998), S. 727 ff.; Apel (2000) und Apels Beitrag "Diskursethik als Ethik der Mit-Verantwortung" in diesem Band.

[ 27 ] Apel (1988b), S. 142.

[ 28 ] Vgl. u. a. Apel (1988b), S. 145 ff., 465 ff.; Apel (1996).

[ 29 ] Wie Apel selbst feststellt, war diese Verschränkung für sein VE-Modell von Anfang an kennzeichnend; vgl. das Interview mit Karl-Otto Apel in diesem Band.

[ 30 ] Vgl. Apel (1988c); Apel (1994).

[ 31 ] "»Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden«"; Jonas (1979), S. 36.

[ 32 ] Vgl. zur Metakritik der jonasschen Bloch-Kritik Gronke (1994).

[ 33 ] Vgl. Kohlberg (1995); siehe hierzu auch den ersten Exkurs in Holger Burckharts Beitrags "Bildung im Diskurs als Herausbildung von Mitverantwortung" in diesem Band.

[ 34 ] Vgl. Apel (1973a).

[ 35 ] Habermas (1991a), S. 199Zu bemerken ist, dass diese beiden Sätze im Unklaren lassen, ob U-gemäße Normen unter der Bedingung, dass die genannte Voraussetzung nicht erfüllt ist, schlichtweg ‚nicht als gültig ausgezeichnet' werden können, d. h. eben ungültig sind (wie der erste Satz suggeriert) oder ob sie zwar gültig, aber zugleich unzumutbar sind (wie durch den zweiten Satz nahe gelegt wird). Diese Unklarheit ist, wie ich vermute, kein Zufall. Ich gehe im Folgenden von der zweiten Deutung aus, da sie Habermas' systematischen Intentionen näher zu kommen scheint - wiewohl die Konkurrenz des normativ-moralischen Geltungsanspruchs selbst (also der normativ-moralischen Gültigkeit bzw. Richtigkeit) mit einem anderen, offenbar nicht schlichtweg untergeordneten, nicht in jenem bereits implizierten Geltungsanspruch bzw. Kriterium (z. B. Zumutbarkeit, Befolgungsgültigkeit) in theoriearchitektonische Aporien führen muss.

[ 36 ] Habermas (1991a), S. 198.

[ 37 ] Vgl. Habermas (1987); Habermas (1992), u.a. S. 148 f.

[ 38 ] Einschränkend ist zu bemerken: Die Übereinstimmung bezieht sich auf die Tatsache, dass dieses Problem existiert, nicht jedoch auf die Frage, wie weitreichend es ist. Ein Unterschied liegt u. a. darin, dass Apel auch noch innerhalb rechtsstaatlicher Bedingungen mit der Möglichkeit der Unzumutbarkeit U-gemäßer Präskriptionen rechnet, während Habermas diese Möglichkeit vielleicht nicht schlechthin ausschließt, sie aber jedenfalls nicht systematisch berücksichtigt. Peter Brune hat überdies darauf hingewiesen, dass Habermas' Inanspruchnahme des Zumutbarkeitsarguments vor dem Hintergrund seiner schwachen Begründungskonzeption inkonsequent sei; vgl. Brune 2000.

[ 39 ] Habermas (1991a), S. 199, Hervorhebung M. H. W.

[ 40 ] Vgl. Apel (1998); ähnlich Cortina (1992), S. 289 ff.; Kuhlmann (1994), S. 101 f.

[ 41 ] Habermas (1991d), S. 27 f.

[ 42 ] Habermas (1999), S. 63 f.

[ 43 ] Habermas (1991a), S. 195; Habermas (1999), S. 60 ff.

[ 44 ] Vgl. Böhler (1992), S. 206, 216 ff.; vgl. auch die klärenden Überlegungen in Gronke (1993).

[ 45 ] Vgl. Bienfait (1999), S. 195 ff.; Keuth (1993), S. 254 ff.; Ott (1997), S. 309 ff.; Ott (1996), S. 80 ff.; Reese-Schäfer (1997), S. 88 ff.; Schönrich (1994), u. a. S. 95 ff.; Thielemann (1997), S. 271 f.; Ulrich (1997b), S. 89 ff., 97 ff.

[ 46 ] Habermas (1999), S. 61.

[ 47 ] Allerdings fällt dieser Einwand auf Habermas selbst zurück, wie Apel klar gesehen hat (vgl. Apel (1998), S. 799); paradox ist ja schon die (nicht mehr von Apel, aber noch von Habermas vertretene) Voraussetzung, dass Moral insgesamt unter bestimmten Bedingungen 'unzumutbar' werden könne - während doch die Diagnose der Unzumutbarkeit moralischer Standards unvermeidlich selber (ihrerseits 'zumutbare') moralische Standards (Kriterien der Zumutbarkeit) voraussetzen müsste.

[ 48 ] Apel (1988a), S. 299; vgl. Apel (1988d), S. 9.

[ 49 ] Apel (1998), S. 799.

[ 50 ] Vgl. Apel (1988a), S. 299; Apel (1988b), S. 132 f.; Apel (1988d), S. 10 f.

[ 51 ] Apel (1988b), S. 148.

[ 52 ] Apel (1988b), S. 149 f., Hervorhebung M. H. W.

[ 53 ] Apel (1998), S. 797.

[ 54 ] Böhler (2000), S. 52, vgl. S. 55, 57.

[ 55 ] Vgl. u. a. Hare (1974).

[ 56 ] Ich kann an dieser Stelle nicht die Probleme diskutieren, die mit dem Versuch einer klaren Formulierung des Universalisierbarkeitspostulats verbunden sind; vgl. Kutschera (1999), S. 34 ff.

[ 57 ] Vgl. Wimmer (1995).

[ 58 ] Vgl. Niquet (1999), S. 192 ff. Zur anthropologischen Fundierung dieser 'Intersubjektivität' vgl. jüngst Burckhart (1999), Teil II.

[ 59 ] Erst im Kontext einer solchen intersubjektivistischen, transzendental-pragmatischen Interpretation praktischer Rationalität ergibt sich die Möglichkeit, die (Prima-facie-) Gültigkeit moralisch relevanter Normen, die für die Integrität der Argumentationspraxis schlechthin konstitutiv sind - beispielsweise des Wahrhaftigkeitsgebots und kommunikativer Grundfreiheiten und -rechte - dialogreflexiv als für alle Vernunftwesen verbindlich zu erweisen.

[ 60 ] So Niquet (1996).

[ 61 ] Zwar ist unbestreitbar, dass jede reale Handlungsnorm, verglichen mit der unbegrenzten Vielfalt möglicher Situationsvariablen, ‚unterkomplex' bzw. ‚abstrakt' bleiben muss. Nun handelt es sich bei U jedoch - ebenso wie bei D - um ein idealisierendes, regulatives Prinzip (Habermas hat U ja unzweideutig als moralisches Gültigkeitskriterium konzipiert). Die Frage ist daher, ob der Spezifikationsgrad der Normen, die Gegenstand eines an U orientierten Prüfungsverfahrens sind, schon auf der idealisierenden Prinzipienebene als beschränkt gedacht werden muss (was übrigens die m. E. nicht vernünftig zu beantwortende Anschlussfrage aufwirft, wo denn genau die schon auf der Prinzipienebene festliegenden Spezifitätsgrenzen potentieller Moralnormen liegen sollen) oder ob auf der Ebene von U nicht vielmehr von prinzipiell unbegrenzt spezifizierbaren Normen ausgegangen werden darf und muss.

[ 62 ] Habermas (1991e), S, 33 f.

[ 63 ] Habermas (1991e), S. 40, 42.

[ 64 ] Habermas (1991b), S. 65; vgl. Habermas (1991d), S. 24; Habermas (1991c), 85 f., 94 ff.; Habermas (1991a), S. 137 ff.; Habermas (1992), S. 47.

[ 65 ] Habermas (1991b), S. 65; vgl. Habermas (1991d), S. 24; Habermas (1991c), 85 f., 94 ff.; Habermas (1991a), S. 137 ff.; Habermas (1992), S. 47.

[ 66 ] Günther (1988), S. 58.

[ 67 ] S. o. Anm. [ 17 ]

[ 68 ] Wenn man statt des Befolgungsgrades U-gemäßer Einzelnormen den Grad der Orientierung an Uh insgesamt zum Kriterium der Zumutbarkeit dieser Orientierung macht, gelangt man zu ähnlich unplausiblen Schlussfolgerungen; ich verzichte hier auf ein entsprechendes Gedankenexperiment.

[ 69 ] Zur Kritik dieser Annahme Klaus Günthers vgl. Alexy (1995); Kettner (1993); Werner (2000b).

[ 70 ] Ich kann an dieser Stelle die Implikationen der vorgeschlagenen Deutung des Problems der Erfolgsverantwortung nicht hinreichend deutlich machen; M. E. sind sie mit den allgemeinen philosophischen Annahmen der Transzendentalpragmatik völlig vereinbar. Eine der Implikationen liegt in der Annahme, dass es möglich ist, die hermeneutisch-sinnkritischen Einwände zu entkräften, die Albrecht Wellmer gegen verschiedene im Rahmen der Transzendentalpragmatik vorgenommene Idealisierungen vorgetragen hat - und auch seine Einwände gegen Richard M. "Hares Idee einer unbegrenzten Spezifizierbarkeit moralischer Prinzipien" (Wellmer 1985, S. 34; vgl. ebd. S. 32 ff.). Auch die hier vorgeschlagene Deutung nimmt ja diese regulative Idee in Anspruch - und mir scheint, dass eine Prinzipienethik, welche den Rigorismus des Regelmodells normativer Ethik vollständig überwinden will, diese regulative Idee notwendig in Anspruch nehmen muss!

[ 71 ] Dies sucht Tugendhat mit zwei Beispielen zu illustrieren; vgl. Tugendhat (1993), S. 171 f.

[ 73 ] Vor allem muss man sich klar machen, dass ein innerer Dialog dem in ›D‹ formulierten Diskursideal u. U. sogar näher kommen kann als ein ‚realer' Diskurs; z. B. dann, wenn mit einer kommunikativen Einstellung der potentiellen Argumentationspartner gar nicht gerechnet werden kann.

[ 73 ] Hierzu Brune (1995), S. 84 ff.

[ 74 ] Apel (1988a), S. 304; vgl. zur Kritik u. a. Ulrich (1997a); Ulrich (2000).


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