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Werner, Micha H. (2002):

Die Eingrenzung des Leistungsspektrums des solidarfinanzierten Gesundheitssystems als Herausforderung liberaler Konzeptionen politischer Ethik*

Vorläufiges, nicht zitierfähiges Diskussionspapier.

Eine PDF-Version dieses Textes finden Sie hier.

Bei Interesse konsultieren Sie bitte die überarbeitete Druckfassung in Zeitschrift für medizinische Ethik Vol. 48, 1/2002.




Abstract/Summary

When setting priorities in the context of a publicly financed health-care system, questions of the good life interfere with questions of distributive justice. This is a challenge for liberal conceptions of political ethics, which endorse the ideal of neutrality in the political sphere. This paper discusses three possible strategies: Giving up the ideal of neutrality in favour of a strong essentialist conception of the good ("essentialist strategy"); defending the ideal of neutrality by reference to universal prerequisites for different conceptions of the good ("transcendental strategy"); weakening the ideal of neutrality by a procedural conception of political justice ("procedural strategy"). The author argues for a combination of the second and the third strategy.

Zusammenfassung

Bei der Prioritätensetzung im Kontext des solidarfinanzierten Gesundheitssystems durchdringen sich Fragen des guten Lebens und Fragen der Gerechtigkeit. Dies stellt eine Herausforderung für das liberale Postulat staatlicher Neutralität dar. Der Aufsatz diskutiert drei mögliche Reaktionen: Die Preisgabe des Neutralitätspostulats im Rahmen einer essentialistischen Theorie des guten Lebens ("Essentialismus"); die Verteidigung des Neutralitätspostulats durch Verweis auf gemeinsame Realisierungsvoraussetzungen verschiedener Entwürfe des guten Lebens ("Transzendentalisierung"), sowie die Abschwächung des Neutralitätspostulats im Rahmen einer prozeduralistischen Konzeption politischer Gerechtigkeit ("Prozeduralisiserung"). Plädiert wird für eine Kombination der zweiten und der dritten Strategie.

1. Das liberale Modell einer politischen Freiheitsordnung

Zu den zentralen Einsichten der Moralphilosophie IMMANUEL KANTs gehört die Erkenntnis, dass zwischen normativen Fragen der Gerechtigkeit und evaluativen Fragen des guten Lebens differenziert werden muss. Im Rahmen dieser Moralphilosophie wird für Antworten auf normative Fragen strikt intersubjektive Verbindlichkeit beansprucht. Antworten auf Fragen des guten Lebens gelten hingegen als nicht allgemeingültig begründbar.[ 2 ] Dementsprechend kommt normativen Forderungen Vorrang vor Präferenzen zu, die auf die Realisierung von Entwürfen des guten Lebens bezogen sind. Diese dürfen nur erfüllt werden, soweit sie nicht gegen jene verstoßen.

Innerhalb der als 'liberal' bezeichneten Konzeptionen politischer Ethik wird mit dieser normenlogischen Differenzthese eine zusätzliche Trennungsthese politisch-praktischer Natur verbunden. Es wird angenommen, dass der Differenz zwischen evaluativen Fragen des guten Lebens und normativen Fragen der Gerechtigkeit durch eine klare Segmentierung zwischen dem Bereich der Privatautonomie einerseits und dem Regelungsbereich der politischen Ordnung andererseits Rechnung getragen werden sollte. Die Realisierung evaluativer Konzepte des guten Lebens wird im Rahmen dieses Modells als Privatsache angesehen. Der Regelungsbereich der politischen Ordnung wird hingegen restriktiv bestimmt. Die Aufgabe staatlichen Handelns soll sich lediglich auf die Gewährleistung derjenigen Freiheitsspielräume erstrecken, die den Bürgern die Verwirklichung ihrer Vorstellungen des guten Lebens ermöglichen. Staatliche Ordnung ist insofern primär am normativen Bezugspunkt der Chancengleichheit orientiert. Sie hat sich den unterschiedlichen Entwürfen guten Lebens gegenüber neutral zu verhalten (Neutralitätspostulat).

Dieses liberale Politikmodell wird durch folgende Überlegung gestützt: Eine politische Rahmenordnung, die der Neutralitätsforderung genügt, würde Bedingungen schützen, "unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann"[ 3 ], Bedingungen mithin, die allen Bürgerinnen und Bürgern gleichermaßen die Realisierung ihrer je verschiedenen Entwürfe guten Lebens ermöglichen. Aus diesem Grund könnten sich alle Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen einen fairen Vorteil von der Existenz einer solchen Freiheitsordnung versprechen. Diese Ordnung hätte also eine Legitimitätsvermutung insofern für sich, als sie - faire Ausgangsbedingungen vorausgesetzt! - eine "distributiv vorteilhafte Freiheitskoexistenz"[ 4 ] (OTFRIED HÖFFE) ermöglichen würde. Mit dieser Vorstellung ist auch noch ein sozialliberales Politikverständnis vereinbar, das sozialstaatliche Interventionen zur Gewährleistung von Chancengleichheit zulässt. Ein Legitimitätsverlust droht im Rahmen des liberalen Politikmodells jedoch überall dort, wo die Neutralitätsbedingung verletzt wird, wo staatliche Interventionen also bestimmte Entwürfe guten Lebens bevorzugen, präjudizieren oder diskriminieren.

2. Interferenzen zwischen dem Guten und dem Gerechten am Beispiel des solidarfinanzierten Gesundheitssystems

Nun lässt sich zeigen, dass Interferenzen zwischen Gerechtigkeitsfragen und Fragen des guten Lebens in vielen Politikbereichen nicht zu vermeiden sind. Die Gesundheitspolitik ist hierfür ein prägnantes Beispiel. Es stellt sich daher die Frage, ob und wie in solchen Politikfeldern das liberale Neutralitätspostulat eingelöst werden kann, oder ob und wie es revidiert werden muss.

Betrachtet man das Problem der auf medizinische Leistungen bezogenen Prioritätensetzung aus der Perspektive einer einzelnen Person, so handelt es sich um ein Problem praktischer Klugheit im Hinblick auf ein einheitliches Konzept des guten Lebens. Die Aufgabe besteht dann in der zweckrationalen Verwendung von Ressourcen für einen Umgang mit individuellen medizinischen Risiken, der den eigenen Präferenzen entspricht. Um rational zu entscheiden, muss ein Entscheidungsträger sich Klarheit darüber verschaffen, was ihm diese oder jene Gesundheitsleistung oder Risikovorsorge jeweils wert ist, und seine Ressourcen entsprechend einsetzen. Solche Überlegungen werden zum einen stark von der persönlichen Betroffenheit des Entscheidungsträgers bestimmt sein. Jemand, der weiß, dass er nicht zu Karies neigt, aber ein erhöhtes Melanomrisiko trägt, wird prima facie geringeren Wert auf zahnärztliche Leistungen legen, aber nach Möglichkeit Mittel für dermatologische Vorsorgeuntersuchungen zurücklegen. Zum anderen werden auch außermedizinische Situationsbedingungen, persönliche Wertorientierungen und Lebensentwürfe Einfluss auf die individuelle Prioritätensetzung haben. Ein Violinsolist, dessen gesamtes Lebenskonzept an seine Identität als Musikvirtuose geheftet ist, wird selbst einen geringfügigen Mobilitätsverlust seiner linken Hand möglicherweise als katastrophalen Schicksalsschlag erleben. Ein Fußballprofi wird dieselbe Beeinträchtigung vielleicht kaum als ernst zu nehmende Gesundheitsstörung betrachten.

Wird die Prioritätenfrage nicht mehr im Kontext eines individuellen Lebensplans, sondern im Kontext eines solidarfinanzierten öffentlichen Gesundheitssystems aufgeworfen, sind dieselben Fragen des guten Lebens plötzlich unmittelbar mit Gerechtigkeitsfragen verschränkt. Denn wenn gemeinschaftlich erbrachte Mittel für die Behandlung eines bestimmten Körper- oder Geisteszustandes Z - oder für auf Z bezogene Früherkennungs- und Präventionsmaßnahmen - aufgewandt oder vorgehalten werden, so hat dies direkte Konsequenzen für die soziale Verteilung von Ressourcen zwischen verschiedenen Personen bzw. Gruppen. Nicht unwahrscheinlich ist z.B. eine Situation, in der von der betreffenden Mittelzuteilung drei verschiedene Gruppen betroffen sind:

a) Zunächst eine Gruppe von Personen, die von Z bzw. dem Risiko von Z nicht betroffen sind, aber Mittel in das Gesundheitssystem einspeisen, und die zudem von anderen aus ihrer Sicht behandlungs- oder präventionsbedürftigen Zuständen betroffen sind oder sein könnten;

b) sodann eine Gruppe von Personen, die von Z bzw. dem Risiko von Z betroffen sind und Z als behandlungs- bzw. präventionsbedürftig ansehen;

c) schließlich eine Gruppe von Personen, die von Z bzw. dem Risiko von Z betroffen sind, aber Z aufgrund ihrer aufgeklärten Präferenzen nicht (bzw. nicht in gleichem Maße) als behandlungs- bzw. präventionsbedürftig ansehen.

Es ist leicht zu sehen, dass prima facie nur für die unter (b) genannten Personen ein Motiv unterstellt werden kann, die Aufwendung von Ressourcen für die Prävention oder Behandlung von Z zu begrüßen, während die unter (a) und erst recht die unter (c) genannten Personen geneigt sein könnten, dagegen Einwände zu erheben.

Muss man sich angesichts solcher Einwände damit begnügen festzustellen, dass Interessenkonflikte und unterschiedliche Wertorientierungen vorliegen? Oder können solche Einwände wenigstens partiell im Hinblick auf Gerechtigkeitsnormen geprüft werden? Prinzipiell möglich und moralisch geboten scheint zumindest die Anwendung des unter anderem von RICHARD M. HARE formulierten[ 5 ] Prinzips der Universalisierbarkeit auf die jeweiligen Einwände. Wenn beispielsweise die unter (a) genannten Personen ausschließlich deshalb gegen die Bereitstellung von Ressourcen zur Behandlung von Z opponieren, weil nicht sie selbst von Z betroffen sind - das heißt: wenn sie für den hypothetisch angenommenen Fall, dass sie von Z betroffen wären, die Ressourcenbereitstellung begrüßen würden - so ist ihr Einwand gegen die vorgenommene Prioritätensetzung unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten irrelevant.[ 6 ]

Wie steht es aber, wenn unterschiedliche Bewertungen auch im Fall gleicher (wirklicher oder hypothetischer) äußerlicher Betroffenheit bestehen bleiben, wie dies beispielsweise beim Unterschied zwischen der Einschätzung der in (b) und der in (c) genannten Personen (nehmen wir an: Violinsolisten und Fußballprofis) der Fall ist? Lassen sich auch hier noch allgemein akzeptable, weil gegenüber individuellen Lebensentwürfen 'neutrale', Kriterien dafür angeben, welche Präferenzen unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten Berücksichtigung finden sollten und welche nicht? Mithin: Ist es möglich, Z so zu bestimmen, dass alle Betroffenen diese Bestimmung akzeptieren können - unabhängig von ihren je verschiedenen Vorstellungen des guten Lebens? Und, wenn ja, wie?

Bevor wir uns dieser Frage nähern, sei auf zweierlei Komplikationen hingewiesen, die bislang noch nicht berücksichtigt wurden und auch in den folgenden Überlegungen nicht hinlänglich reflektiert werden können:

Zum einen wurde bislang ausgeklammert, dass politische Entscheidungen über die Ressourcenverteilung im Gesundheitssystem nicht unbegrenzt fallspezifisch, sondern nur in Gestalt stark generalisierender Richtlinien vorgenommen werden können. Unterschiede hinsichtlich individueller Betroffenheitslagen sind im Rahmen politischer Regelungen nur in sehr begrenztem Maße zu berücksichtigen; beispielsweise durch das Offenhalten von ärztlichen und gutachterlichen Ermessensspielräumen oder individuellen Klagemöglichkeiten. Wie generell im Zusammenhang rechtlicher Gesellschaftsorganisation besteht hier eine Spannung zwischen dem Anspruch auf substantielle Gerechtigkeit der gemeinschaftlichen Regelungen einerseits, der effizienten Implementierbarkeit dieser Regelungen, ihrer viability auch innerhalb einer auch von strategischen Handlungsorientierungen geprägten gesellschaftlichen Wirklichkeit sowie dem (seinerseits gerechtigkeitsrelevanten) Erfordernis der Rechtssicherheit andererseits.

Zum anderen stellt die hier formulierte Frage nach der Möglichkeit einer gegenüber individuellen Wertorientierungen neutralen Bestimmung von Körper- oder Geisteszuständen, deren Vorliegen (oder drohender Eintritt) einen Anspruch auf solidarisch finanzierte medizinische Leistungen begründet, nur einen stark eingeschränkten, wenngleich grundlegenden Teil des Problems der Prioritätensetzung dar. Die Frage, wie die Mittel auf die Behandlung, Diagnose und Prävention verschiedener Körper- oder Geisteszustände zu verteilen sind, bleibt unberücksichtigt. Es geht gewissermaßen nur um die Bestimmungen der Außengrenzen des solidarfinanzierten Gesundheitssystems, nicht um das weitaus vielfältigere Problem der Allokation innerhalb dieses Systems. Allerdings ist zu vermuten, dass die Probleme in beiden Bereichen strukturell ähnlicher Art sind.

3. Bestimmung der Außengrenzen des solidarfinanzierten Gesundheitssystems durch die Unterscheidung 'gesund - krank'

Im deutschen Sozialrecht wird die Entscheidung darüber, wem ein Recht auf solidarfinanzierte medizinische Leistungen zukommt, von der Unterscheidung zwischen Gesundheit und Krankheit abhängig gemacht. Dem fünften Buch des Sozialgesetzbuchs zufolge liegt die Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung darin, "die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern" (§ 1 SGB V). Entsprechend haben gesetzlich Versicherte dann Anspruch auf medizinische Behandlung, "wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern" (§ 27 SGB V). "Voraussetzung für einen Leistungsanspruch" gesetzlich Krankenversicherter ist in aller Regel "der Eintritt des Versicherungsfalls »Krankheit«"[ 7 ].

Im Kontext des gegebenen sozialrechtlichen Normengefüges ist die oben formulierte Leitfrage nach der Existenz allgemein akzeptabler Kriterien für die Zuschreibung von Anspruchsrechten auf solidarfinanzierte medizinische Leistungen also wie folgt zu reformulieren: Lässt sich - und wie lässt sich gegebenenfalls - allen gesetzlich Versicherten gegenüber rechtfertigen, dass die gemeinsam erbrachten Ressourcen für die Diagnose, Heilung, Linderung und Einhegung von Krankheiten aufgewandt werden?

Diese Frage kann indes nicht beantwortet werden, solange nicht hinreichend geklärt ist, welche Körper- oder Geisteszustände genau als Krankheiten zählen und weshalb sie als solche zählen. Im deutschen Sozialrecht existiert jedoch keine Legaldefinition der Begriffe "Gesundheit" und "Krankheit". Es handelt sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, deren Interpretation dem Urteil der Sozialgerichtsbarkeit anheim gestellt ist.

Das Bundessozialgericht interpretiert in seiner ständigen Rechtsprechung Krankheit als einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf und/oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Regelwidrigkeit wird seit einem Urteil aus dem Jahre 1967 als Abweichung von der durch das Leitbild des gesunden Menschen geprägten Norm verstanden.[ 8 ] Als behandlungsbedürftig gilt ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand dann, wenn er nicht ohne ärztliche Hilfe behoben, gebessert oder vor Verschlimmerung bewahrt werden kann, oder wenn ärztliche Behandlung erforderlich ist, um Schmerzen oder sonstige Beschwerden zu lindern oder das Leben des Patienten zu verlängern. Diese Formeln erscheinen bei näherem Hinsehen teilweise zirkulär,[ 9 ] teilweise zu vage, als dass sie einen substantiellen Beitrag zur Klärung strittiger Abgrenzungsfragen bieten könnten.

Manche Interpreten sehen nun gerade in dieser Vagheit und Interpretationsoffenheit des sozialrechtlichen Krankheitsbegriffs einen "Vorteil für ein funktionierendes und akzeptiertes Gesundheitswesen". Denn eine "Krankenversicherung, die nahezu die gesamte Bevölkerung erfasst", müsse, so gibt RUTH SCHIMMELPFENG-SCHÜTTE zu bedenken, den "gesellschaftlichen, technischen und wissenschaftlichen Wandel berücksichtigen". Der "dynamische Krankheitsbegriff" des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung ermögliche es, "die vielfältigsten Lebenssachverhalte zu erfassen und medizinischen Fortschritt einzubeziehen". Einem derart 'dynamisch' verfassten Krankheitsbegriff ließen sich freilich - und diese "Kehrseite" macht SCHIMMELPFENG-SCHÜTTE ebenfalls deutlich - kaum noch Kriterien einer Eingrenzung von Leistungsansprüchen entnehmen.[ 10 ] Damit wäre in das solidarfinanzierte Gesundheitswesen eine Expansionstendenz eingebaut, die seine Tragfähigkeit und Legitimität zumindest in the long run überfordern dürfte. Überdies ist fraglich, wie ein dergestalt offener Krankheitsbegriff ein hinreichendes Maß an Rechtssicherheit gewährleisten kann, was auch unter Legitimitätsgesichtspunkten problematisch erscheint. Es ist auffällig, dass viele Entscheidungen - z.B. über die Erstattung der Kosten für die In-vitro-Fertilisation, für die Behandlung von Zahnstellungsanomalien, für die Behandlung der erektilen Dysfunktion oder für Maßnahmen der kosmetischen Chirurgie - in rechtsdogmatischer Hinsicht strittig geblieben sind. Die den Urteilsbegründungen zugrunde liegenden Interpretationen - etwa hinsichtlich des 'Leitbildes des gesunden Menschen' - wirken vielfach alles andere als zwingend. Dies spricht für WOLFGANG MAZALs Diagnose, "dass der sozialversicherungsrechtliche Krankheitsbegriff" mit der Zunahme medizinischer Interventionsmöglichkeiten "an Lösungskapazität verliert". MAZAL zufolge ist "[b]ereits heute [...] in Randbereichen eine »präzise, rechtssicher handhabbare Differenzierung« durch das bisher entwickelte Begriffsinstrumentarium nicht (mehr) gewährleistet; extrapoliert man die [...] medizinischen und sozialen Entwicklungen [...] in die nähere Zukunft, ist anzunehmen, dass die Interpretation des Krankheitsbegriffs auch im Kernbereich verstärkt Probleme aufwerfen wird".[ 11 ] Angesichts dessen sei es "vorschnell [...], sich auf den Standpunkt zurückzuziehen, der Gesetzgeber habe eben einen »offenen« bzw. einen »dynamischen« Krankheitsbegriff normiert, ohne wenigstens Grundlinien für die materielle Auslegung zu suchen: Niemand will doch ernstlich die Abgrenzung der Leistungspflicht der Krankenkassen in wesentlichen Punkten in das Belieben der Judikatur stellen, deren Argument im Grunde genommen die eigene Tradition wäre!"

Die Interpretationsbedürftigkeit des sozialversicherungsrechtlichen Krankheitsbegriffs erzwingt mithin eine weitere Spezifikation der oben formulierten Leitfrage nach den Kriterien einer allgemein akzeptablen Begründung und Begrenzung von Ansprüchen auf solidarfinanzierte medizinische Leistungen. Es ist nun zu fragen: Gibt es Elemente möglicher Krankheitsdefinitionen, die für alle gesetzlich Versicherten - unabhängig von ihren je verschiedenen Vorstellungen vom guten Leben - ein vernünftiger Grund sein könnten, der Verwendung gemeinsam aufgebrachter Ressourcen für die Diagnose, Prävention, Heilung oder Linderung der so verstandenen Krankheiten zuzustimmen? Und, wenn ja, welche Elemente sind das? Eine Antwort auf letztere Frage würde zugleich die Gesichtspunkte angeben, an denen sich die Auslegung des Krankheitsbegriffs im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung orientieren sollte.

4. Drei Strategien der Begründung und Begrenzung von Ansprüchen auf solidarfinanzierte Gesundheitsleistungen

Am einfachsten wäre diese Antwort zweifellos, wenn alle gesetzlich Versicherten dieselben Bedürfnisse, Präferenzen und Interessen hinsichtlich ihrer psychischen und physischen Verfassung hätten. Wie schon das oben angeführte Beispiel des Violinsolisten und des Fußballprofis zeigt, kann dies nicht uneingeschränkt unterstellt werden. Unbefriedigend wäre es, die Ressourcenverteilung allein nach der Stärke der Präferenzen oder/und nach der Zahl der Interessenvertreter vorzunehmen. Denn eine solche Vorgehensweise würde - verbreiteten moralischen Intuitionen zufolge - weder den Ansprüchen distributiver Gerechtigkeit noch den Anforderungen des Minderheitenschutzes gerecht.

Im folgenden sollen - idealtypisch und stark vereinfachend - drei alternative Strategien der Begründung und Begrenzung von Leistungsansprüchen gesetzlich Krankenversicherter skizziert werden. Diese Strategien weisen Affinitäten zu Grundpositionen auf, die aus der allgemeinen Diskussion der politischen Philosophie bekannt sind.

Die erste Strategie impliziert eine grundsätzliche Absage an das liberale Politikmodell und eine Preisgabe des Neutralitätspostulats. Ihr zufolge können politische Ordnungen gegenüber Entwürfen des guten Lebens nicht neutral sein. Sie müssen dies auch gar nicht; vielmehr dienen sie der Realisierung bestimmter gemeinschaftlicher Vorstellungen des guten Lebens. Diese Position lässt sich aus zwei entgegengesetzten Richtungen begründen:

Entweder wird im Sinne eines kontextualistischen Moralrelativismus behauptet, dass auch liberale Freiheits- und Gerechtigkeitsvorstellungen in Konzepten des guten Lebens verwurzelt sind, die ihrerseits nicht begründbar seien und in Konkurrenz zu anderen Lebensentwürfen stünden. Normative Gerechtigkeitsforderungen wären demnach ebensowenig allgemeinverbindlich wie evaluative Konzeptionen des guten Lebens.[ 12 ] Damit ließe sich freilich auch Einwänden gegen die Diskriminierung bestimmter Lebensentwürfe nicht mehr durch universalistische Gerechtigkeitsargumente Nachdruck verleihen; in letzter Hinsicht entfiele somit das Ausgangsproblem.

Für unsere Fragestellung interessanter ist eine komplementäre Position. Sie basiert auf der - sozusagen anti-kantischen - Annahme, dass auch substantiell gehaltvolle Konzepte des guten Lebens als allgemein verbindlich ausgewiesen werden können. Die Differenz zwischen normativen und evaluativen Fragen wird hier gleichsam von der anderen Seite her eingeebnet, nämlich aus der Perspektive einer starken, substantiell gehaltvollen Theorie des guten Lebens. Ich möchte diese Strategie - mangels eines besseren Terminus' - als essentialistische Strategie bezeichnen. Ihre bekannteste Vertreterin ist MARTHA NUSSBAUM.[ 13 ]

Die zweite Strategie könnte man Voraussetzungs- oder Transzendentalisierungsstrategie nennen. Sie versucht die These des Vorrangs des Gerechten vor dem Guten - und auch das liberale Neutralitätspostulat - durch den Aufweis des basalen Charakters bestimmter Grundgüter oder Grundrechte zu verteidigen. Diese Grundgüter oder Grundrechte werden aber, anders als in der essentialistischen Position, nicht aus einer als allgemeingültig postulierten Vorstellung des guten Lebens abgeleitet. Vielmehr wird versucht zu zeigen, dass es bestimmte Grundgüter oder Grundrechte gibt, deren Vorliegen bzw. Gewährleistung eine Voraussetzung der Realisierung aller (oder zumindest nahezu aller) Entwürfe des guten Lebens darstellt. Als Bedingungen der Möglichkeit zur Realisierung je verschiedener Lebensentwürfe hätten solche Grundrechte bzw. Grundgüter einen sozusagen 'transzendentalen' Status. Es dürfte daher legitimerweise supponiert werden, dass alle Bürger, unabhängig von ihren je verschiedenen Lebensentwürfen, ein "transzendentales Interesse" (OTFRIED HÖFFE)[ 14 ] am Vorliegen der betreffenden Grundgüter bzw. der Gewährleistung der betreffenden Grundrechte haben. Der bekannteste Vertreter dieser Voraussetzungsstrategie ist JOHN RAWLS, der sich im Rahmen seiner Theory of Justice um den Nachweis der - von der Wahl spezifischer Lebenspläne unabhängigen - Notwendigkeit bestimmter Grundgüter (primary goods) bemüht. Da diese Grundgüter für alle Personen von Nutzen seien, unabhängig davon, welchen Lebensplan sie verfolgen, könne unterstellt werden, dass alle rationalen Personen ein Interesse an ihnen haben.[ 15 ]

Die dritte Strategie lässt sich als Prozeduralisierungsstrategie bezeichnen. Im Rahmen dieser Strategie wird nicht mehr versucht, der Forderung nach einer gerechten, gegenüber verschiedenen Lebensentwürfen neutralen Ordnung durch den Entwurf eines vollständigen, universelle Gültigkeit beanspruchenden Systems von Grundgütern bzw. Grundrechten gerecht zu werden. Vielmehr wird das Gerechtigkeits- und Neutralitätspostulat primär auf die Verfahren bezogen, innerhalb derer sich Bürgerinnen und Bürger gemeinsam auf eine solche normative Grundordnung verständigen können. Die Prozeduralisierungsstrategie wird vielfach - am prominentesten in JÜRGEN HABERMAS' Faktizität und Geltung[ 16 ] - mit der Transzendentalisierungsstrategie kombiniert. Zwingend erscheint dies insofern, als bestimmte normative Voraussetzungen bereits gegeben sein müssen, damit Bürgerinnen und Bürger rational über eine gemeinsame Ordnung entscheiden können. Prozeduralistische Modelle können sehr unterschiedliche Formen annehmen, je nach den Eigenarten der vorgeschlagenen Verständigungs- bzw. Entscheidungsprozeduren. Bezogen auf unser Ausgangsproblem würde eine prozeduralistische Strategie dafür sprechen, die Entscheidung über die Eingrenzung des Leistungsspektrums des solidarfinanzierten Gesundheitssystems zumindest partiell von der Frage des Krankheitswertes psychischer oder physischer Zustände abzukoppeln.[ 17 ]

4.1 Essentialismus

Essentialistische Positionen bemühen sich um eine universal gültige Begründung notwendiger Elemente eines guten, gelingenden Lebens. So gelangt MARTHA NUSSBAUM im Rahmen ihrer 'dicken [starken] vagen Theorie des Guten' zu einer Liste 'elementarer menschlicher Funktionsfähigkeiten', zu denen u.a. die Fähigkeit gehört, "bis zum Ende eines vollständigen menschlichen Lebens leben zu können, soweit wie es möglich ist; nicht frühzeitig zu sterben oder zu sterben, bevor das Leben so vermindert ist, dass es nicht mehr lebenswert ist", sowie die Fähigkeit, "eine gute Gesundheit zu haben; angemessen ernährt zu werden; angemessene Unterkunft zu haben; Gelegenheit zur sexuellen Befriedigung zu haben; fähig zu sein zur Ortsveränderung", die Fähigkeit, "unnötigen Schmerz zu vermeiden und lustvolle Erlebnisse zu haben" etc.[ 18 ] Solche Vorschläge müssen offenbar auf ein verlässliches anthropologisches Fundament gestützt sein. Wie STEFAN GOSEPATH schreibt, sind jedoch die "Bestimmungen einer essentialistischen anthropologischen Natur des Menschen [...] entweder strittig oder [...] trivial". GOSEPATH fährt fort: "Die Vermutung, dass alle rationalen und rational geklärten Verständnisse menschlicher Existenz trotz historischer und kultureller Differenzen so weit konvergieren, dass ein genügend großer und substantieller Konsens entsteht, scheint, soweit ich sehen kann, zur Zeit unbegründet."[ 19 ] Dass NUSSBAUMs Liste elementarer Funktionsfähigkeiten darüber hinaus zu unspezifisch ist, um das Problem der Eingrenzung solidarfinanzierter medizinischer Leistungen zu lösen, zeigt sich schon daran, dass "eine gute Gesundheit" als Bestandteil der Liste aufgeführt wird, ohne dass geklärt würde, was gute Gesundheit genau bedeutet.

Den Versuch einer genaueren Klärung des Gesundheitsbegriffs im Rahmen einer essentialistischen Theorie hat KATERYNA FEDORYKA unternommen. In einem viel beachteten Aufsatz bemüht sie sich um eine Fundierung allgemeingültiger Elemente des Gesundheitsbegriffs im Rückgriff auf eine quasi-aristotelische Naturphilosophie. FEDORYKAs Überlegungen bleiben jedoch in der entscheidenden Hinsicht programmatisch. Das von ihr skizzierte Projekt, dem Gesundheitsbegriff durch eine universalistische, naturphilosophisch untermauerte Konzeption des Guten Konturen zu verleihen, wird nicht wirklich umgesetzt. Statt dessen formuliert FEDORYKA eine Überlegung, die über die essentialistische, Begründungsstrategie hinausweist. FEDORYKA schreibt: "Simply because what constitutes health is determined without reference to individual interests does not imply that it does not serve these interests. In fact, health is a fundamental datum, and an indispensable condition even for the having of interests."[ 20 ]

4.2 Transzendentalisierung

Diese Überlegung lässt sich im Sinne der oben skizzierten Voraussetzungs- bzw. Transzendentalisierungsstrategie interpretieren. Grundlegende Bedingungen wie Leben, Handlungsfähigkeit und die Fähigkeit zur autonomen Selbstbestimmung müssen gewährleistet sein, damit Bürgerinnen und Bürger überhaupt irgendwelche Konzepte des guten Lebens verfolgen können. Soweit solidarfinanzierte medizinische Leistungen der Wahrung solcher Grundvoraussetzungen dienen, scheint die liberale Neutralitätsforderung also gewahrt: Für alle Mitglieder des solidarfinanzierten Gesundheitssystems kann im Normalfall unterstellt werden, dass sie ein Interesse an ihrem Leben und ihrer Fähigkeit zu autonomem Handeln qua Voraussetzungen zur Realisierung beliebiger Lebenspläne haben.

Dieses politisch-ethische Argument ist konkordant mit grundrechtstheoretischen Überlegungen. Es ist naheliegend, den Anspruch gesetzlich Versicherter auf medizinische Leistungen, die der Diagnose, Prävention, Linderung oder Heilung von Krankheiten dienen, zumindest auch als eine Konkretisierung von Anspruchsrechten zu verstehen, die durch Art. 2, Abs. 1 GG (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit) und v.a. durch Art. 2, Abs. 2 GG (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) in Verbindung mit der Sozialstaatsklausel in Art. 20, Abs. 1 GG begünstigt werden. Demgemäß vertritt etwa OTFRIED SEEWALD die Ansicht, dass im deutschen Grundgesetz ein implizites "Verfassungsrecht auf Gesundheit" - und zwar auch im Sinne eines "Recht[s] auf begünstigende staatliche Maßnahmen", das heißt im Sinne eines Anspruchsrechts - angelegt sei.[ 21 ] Wenn das Recht auf solidarfinanzierte medizinische Leistungen wenigstens partiell als Konkretisierung von grundgesetzlich verankerten Anspruchsrechten auf Maßnahmen verstanden werden könnte, die auf die Wahrung des Lebens und der Selbstentfaltungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger zielen, würde dies im Umkehrschluss auch eine Interpretation des sozialrechtlichen Krankheitsbegriffs ermöglichen. Dieser Krankheitsbegriff könnte dann im Hinblick auf diejenigen Grundrechte interpretiert werden, deren anspruchsrechtliche Konkretisierung das Recht auf Krankenbehandlung darstellt.[ 22 ] Krankheitswertige Körper- oder Geisteszustände könnten einer solchen grundrechtsbezogenen Interpretation zufolge Ansprüche auf solidarfinanzierte medizinische Leistungen begründen, sofern sie das Leben der Betroffenen bedrohen und/oder ihr grundsätzliches Vermögen zur "freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit" beeinträchtigen. Es liegt allerdings auf der Hand, dass mit dieser Interpretation das Problem einer hinreichend präzisen Begrenzung der Leistungsansprüche nicht gelöst ist. Denn zwar ergeben sich im Rahmen der grundrechtsbezogenen Interpretation durchaus auch normative und pragmatische Gesichtspunkte einer Eingrenzung des Anspruchsrechts auf solidarfinanzierte Gesundheitsleistungen: zum einen durch die Tatsache, dass die Bereitstellung medizinischer Behandlungsmöglichkeiten als Beitrag zur Wahrung der in Art. 2 GG formulierten Rechte mit anderen, den gleichen Zwecken dienenden staatlichen Maßnahmen - zum Beispiel mit Maßnahmen der Bildungspolitik oder des Umweltschutzes - konkurriert; zum anderen durch die Notwendigkeit einer Abwägung verschiedener Grundrechte gegeneinander. Gleichwohl kann das Problem der präzisen Eingrenzung von Leistungsansprüchen nicht allein durch die grundrechtsbezogene Interpretation des sozialrechtlichen Krankheitsbegriffs gelöst werden. Denn bei den "Bindungen" staatlichen Handelns "durch die Verfassung [...] handelt es sich [...] um verhältnismäßig grobe Richtlinien. In diesem Rahmen hat insbesondere die Gesetzgebung einen weiten Spielraum, in dem sie die Rechtsordnung relativ frei gestalten kann."[ 23 ]

Als prominentester Vertreter der Voraussetzungsstrategie für den Bereich der Gesundheitspolitik kann NORMAN DANIELS gelten, der RAWLS' Modell politischer Gerechtigkeit im Hinblick auf gesundheitspolitische Fragen zu erweitern sucht. DANIELS interpretiert die von CHRISTOPHER BOORSE als Kriterium der Gesundheit vorgeschlagene 'normale speziestypische Funktionsfähigkeit'[ 24 ] als notwendige Voraussetzung fairer Chancengleichheit. Diese impliziert DANIELS zufolge das Vermögen aller Bürgerinnen und Bürger, ihre natürlichen Fähigkeiten ungehindert, in einem fairen Wettbewerb, zur Entfaltung zu bringen. Krankheiten, verstanden als Einschränkungen der normalen Funktionsfähigkeit, beeinträchtigen dieses Vermögen: "In the context of concerns about equal opportunity, we can think of being a normally functioning, fully participating member of society as having the characteristics necessary to be a »normal competitor« for desirable social positions. Clearly, diseases - as adverse departures from normal species functioning - can prevent an individual from being a normal competitor." Ein moralisches Anspruchsrecht auf Gesundheitsleistungen ergibt sich demnach aus der Tatsache, "that health care promotes equal opportunity by preventing and curing disease".[ 25 ] BOORSEs biomedizinische Unterscheidung zwischen Gesundheit und Krankheit gewinnt ihre Prägnanz allerdings nur durch die reduktionistische Interpretation der - vermeintlich wertfrei ermittelbaren - Organismusfunktionen im Sinne von Beiträgen zu den Zielen des individuellen Überlebens und der Reproduktion.[ 26 ] Die Pointe von DANIELS' Versuch, ein Anspruchsrecht auf Gesundheitsleistungen im Rahmen der Voraussetzungsstrategie zu begründen, wird durch seine Bezugnahme auf BOORSEs reduktionistisches und naturalistisches biomedizinisches Krankheits- bzw. Gesundheitskonzept meines Erachtens eher verstellt. Im Sinne der Voraussetzungsstrategie wäre es im Grunde naheliegender, auf eine Definition zu rekurrieren, die eine Beeinträchtigung zwar nicht der Handlungsfähigkeit schlechthin - wie im Modell LENNART NORDENFELTs[ 27 ] -, aber doch der allgemeinen Bedingungen der Handlungsfähigkeit als ein explizites Krankheitskriterium vorsieht.[ 28 ]

Die Reichweite der Voraussetzungsstrategie hängt vor allem von der Frage ab, inwieweit sich allgemeine physiologische und psychische Bedingungen der Handlungsfähigkeit - und damit der Fähigkeit, beliebigen (oder zumindest nahezu beliebigen) Entwürfen des guten Lebens zu folgen - aufweisen lassen, die sinnvollerweise durch die Bereitstellung medizinischer Diagnose, Präventions- und Behandlungsmöglichkeiten gewährleistet werden sollten. Wollte man indes ausschließlich die in diesem Sinne strikt allgemeinen Bedingungen der Handlungsfähigkeit schützen, so käme man zu einem sehr viel engeren Spektrum solidarfinanzierter medizinischer Leistungen als bislang gewohnt. Viele faktisch als behandlungsbedürftig anerkannten Körper- oder Geisteszustände beinhalten, wenn überhaupt, eine lediglich partielle Beeinträchtigung der Handlungsfähigkeit. Zudem wäre es unplausibel, solidarfinanzierte medizinische Leistungen ausschließlich zur Gewährleistung der Handlungsfähigkeit zuzulassen, nicht hingegen zur Linderung von Leiden, das nicht mit einer Einschränkung der Handlungsfähigkeit einhergeht. Schließlich gilt für die Voraussetzungsstrategie in Bezug auf das Problem der Eingrenzung von Ansprüchen auf solidarfinanzierte medizinische Leistungen dasselbe wie für die grundrechtstheoretischen Überlegungen: Sie führt nur zu sehr allgemeinen Eckpunkten, innerhalb derer ein breites Spektrum potentiell legitimer Regelungen offenbleibt.

4.3 Prozeduralisierung

Es liegt nahe, die Prozeduralisierungsstrategie in dieser Hinsicht als eine Ergänzung der Voraussetzungsstrategie zu betrachten. Interessanterweise setzt auch DANIELS in jüngeren Arbeiten verstärkt auf die Prozeduralisierungsoption.[ 29 ] Die generelle Pointe von Prozeduralisierungsstrategien liegt darin, dass auf anspruchsvolle Konzeptionen substantieller (Ergebnis-)Gerechtigkeit zugunsten von Konzeptionen der Verfahrensgerechtigkeit verzichtet wird. Auch das liberale Neutralitätspostulat wird zwar nicht aufgegeben, aber prozeduralistisch abgeschwächt: Für Verfahrensergebnisse wird nicht mehr schlechthin Wertneutralität beansprucht, sondern nur noch die Akzeptabilität für die Vertreter verschiedener Wertorientierungen. Dies impliziert, dass Standards des Minderheitenschutzes eingehalten werden müssen, ohne dass eine strikte Gleichverteilung von Chancen auf die Realisierung verschiedener Lebenspläne gegeben sein müsste. Von diesen Gemeinsamkeiten abgesehen, können Prozeduralisierungsoptionen sehr unterschiedlich gestaltet sein, je nachdem, wie die Gruppe der Verfahrensbeteiligten eingegrenzt wird, wie das Entscheidungsverfahren intern strukturiert wird (z.B. als strategische Verhandlung, als Mediationsverfahren, als Debatte mit Mehrheitsentscheidung, als argumentativer Diskurs mit Konsensorientierung) und inwieweit es öffentlich ist, wie Informationen, Einflussmöglichkeiten und Betroffenheitslagen verteilt sind, welche Optionen jeweils zur Entscheidung stehen und welche vorgegeben werden etc. Entsprechend sind, abgesehen von Trivialitäten, kaum generelle Aussagen über Chancen und Probleme der Prozeduralisierungsstrategie möglich. Um es nicht vollständig bei diesem Fazit zu belassen, seien noch einige ungeschützte Bemerkungen angefügt, die vielleicht erkennen lassen, wie Überlegungen beschaffen sein könnten, anhand derer konkrete Prozeduralisierungsoptionen zu prüfen sind.

Bei der Wahl solcher Optionen sind die Randbedingungen des jeweiligen Entscheidungsfeldes zu beachten. Das Problem der Eingrenzung von Ansprüchen auf solidarfinanzierte medizinische Leistungen ist unter anderem gekennzeichnet durch stark differierende Betroffenheitslagen, die ungleiche Verteilung politischer Einflusschancen zwischen den beteiligten Akteuren (z.B. Patientinnen und Patienten, Krankenkassen, Ärzteschaft, Pharmaindustrie, Sozialgerichte...), die große Zahl der Betroffenen, den Detailreichtum und die (rechtliche, medizinische und moralische Fragen vereinende) Komplexität der zur Debatte stehenden Entscheidungsprobleme. Die Komplexität der Problematik legt nahe, nicht einzelne Regelungsoptionen, sondern höherstufige Kriterien oder generelle Orientierungspunkte der Entscheidungsfindung zu thematisieren. Die ungleiche Verteilung politischer Einflussmöglichkeiten spricht - neben anderen Gründen - dafür, der Form eines konsensorientierten (Diskurs-)Verfahrens den Vorzug vor strategischen Verhandlungen zu geben und das Verfahren öffentlich zu gestalten. Die hohe Zahl der Betroffenen und die kognitiven Anforderungen der Regelungsmaterie sprechen dafür, dieses Diskursverfahren als einen repräsentativen Stellvertreterdiskurs zu implementieren. Angesichts solcher Erwägungen ließe sich beispielsweise dafür plädieren, dass in Fällen politischer Konflikte über Fragen der Prioritätensetzung im solidarfinanzierten Gesundheitssystem öffentliche Leitbilddiskurse über die generellen Orientierungspunkte einer als legitim erachteten Zuteilung solidarfinanzierter medizinischer Ressourcen etabliert werden sollten. Solche Diskurse könnten als ein sinnvoller Beitrag zur Selbstorganisation eines am Ideal deliberativer Demokratie orientierten Gemeinwesens verstanden werden. Diese tentativen, eher in exemplarischer Absicht formulierten Überlegungen können und sollen eine spezifische Auseinandersetzung mit konkret erwogenen Prozeduralisierungsoptionen freilich nicht ersetzen. Eine Untersuchung der faktisch bestehenden institutionellen Arrangements im Felde der Gesundheitspolitik (z.B. der Aufgabenverteilung zwischen Parlament, Gesundheitsministerium, Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen und Sozialgerichtsbarkeit) unter Gesichtspunkten prozeduraler Gerechtigkeit könnte sich als sinnvoller Ausgangspunkt einer solchen Untersuchung erweisen.

5. Fazit

Die Eingrenzung des Leistungsspektrums der gesetzlichen Krankenversicherung ist eines der schwierigsten und umstrittensten Felder der Gesundheitspolitik. Deutlicher als in anderen Politikfeldern treten hier Interferenzen zwischen Fragen der Gerechtigkeit und Fragen des guten Lebens zutage. Solche Interferenzen sind eine Herausforderung für liberale Modelle politischer Ethik, denen zufolge die Legitimität staatlicher Maßnahmen an deren Neutralität gegenüber den verschiedenen Entwürfen des guten Lebens gebunden ist. Eine erste mögliche Antwort auf diese Herausforderung liegt in der Preisgabe des Neutralitätspostulats. Diese Antwort fiele leicht, wenn es - auf der Grundlage einer essentialistischen Deutung 'der' menschlichen Natur - möglich wäre, einen für alle Menschen gleichermaßen gültigen und hinreichend detaillierten Entwurf eines guten Lebens zu erarbeiten. Es spricht aber vieles gegen diese Möglichkeit. Die derzeit diskutierten Vorschläge für allgemeine Elemente eines guten Lebens sind entweder strittig oder zu vage. Die zweite mögliche Reaktion liegt in der Suche nach allgemeinen Bedingungen der Möglichkeit zur Realisierung verschiedener Entwürfe des guten Lebens. Wenn es solche Bedingungen gibt, darf unterstellt werden, dass alle Bürgerinnen und Bürger ein 'transzendentales Interesse' an ihrer Erhaltung haben. Ein Staat, der diese Bedingungen gewährleistet, würde mithin die Neutralitätsbedingung nicht verletzen. Die zweite Antwortstrategie ist in erster Linie dazu geeignet, die Leistungsansprüche gesetzlich Versicherter in ihrem Kernbereich zu begründen. Sie ist gut vereinbar mit rechtstheoretischen Überlegungen, die dafür sprechen, den sozialrechtlichen Krankheitsbegriff im Hinblick auf grundrechtliche Normen zu interpretieren. Die zweite Antwort führt aber nicht zu hinreichend präzisen Kriterien einer Eingrenzung der Leistungsansprüche in den Randbereichen. Sie sollte deshalb mit einer dritten Lösungsstrategie kombiniert werden, die nicht mehr unmittelbar nach substantiellen Entscheidungskriterien fragt, sondern nach fairen und gerechten Verfahren, in denen über solche Kriterien entschieden werden kann. In diesem Sinne könnte die Durchführung öffentlicher Leitbilddiskurse unter repräsentativer Beteiligung aller relevanten Gruppen mit dem Ziel einer Klärung allgemeiner Orientierungspunkte für die Aufgabenbestimmung des solidarfinanzierten Gesundheitssystems ein erwägenswertes Experiment sein. Im Rahmen solcher Diskurse würde sich zeigen, wie unterschiedlich die gesundheitsbezogenen Präferenzen der Bürgerinnen und Bürger tatsächlich sind - es mag sein, dass die Differenzen weniger groß sind als diejenigen Glauben machen wollen, die das solidarfinanzierte Gesundheitssystem zugunsten einer Marktlösung verabschieden wollen.[ 30 ] Angesichts der vielfach intransparenten und interessenbestimmten Verfahren gesundheitspolitischer Entscheidungsfindung scheint es jedenfalls sinnvoll, über prozedurale Innovationen verstärkt nachzudenken.

ANMERKUNGEN

[ * ] Georg Marckmann danke ich herzlich für konstruktive Kritik und einen wichtigen Literaturhinweis.

[ 2 ] Vgl. KANTs Unterscheidung zwischen 'technischen', 'pragmatischen' und 'moralischen' Imperativen in I. KANT, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, in: Ders., Werke: Akademie Textausgabe, Bd. 4, Berlin 1968, 385-464, bes. 416f.; vgl. hierzu auch - prägnant, wenn auch mit eigenwilliger Terminolgie - J. HABERMAS, Zum pragmatischen, ethischen und moralischen Gebrauch der praktischen Vernunft, in: Ders., Erläuterungen zur Diskursethik, Frankfurt a. M. 1991, 100-118.

[ 3 ] I. KANT, Die Metaphysik der Sitten, in: Ders., Werke: Akademie Textausgabe, Bd. 4, Berlin 1968, 203-493, hier: 230.

[ 4 ] O. HÖFFE, Politische Gerechtigkeit: Grundlegung einer kritischen Philosophie von Recht und Staat, Frankfurt a. M. 1987, hier: 382. Zu Höffes transzendental-kontraktualitischer Hintergrundtheorie vgl. die berechtigte Kritik von WOLFGANG KERSTING und MATTHIAS KETTNER in W. KERSTING (Hg.), Gerechtigkeit als Tausch? Auseinandersetzungen mit der politischen Philosophie Otfried Höffes, Frankfurt a. M. 1997, 11-60 und 243-283. Zum liberalen Neutralitätspostulat vgl. W. KYMLICKA, Liberal Individualism and Liberal Neutrality, in: Ethics 99 (1989) 883-905.

[ 5 ] R. M. HARE, Universalisierbarkeit, in: G. GREWENDORF/G. MEGGLE (Hg.), Seminar: Sprache und Ethik, Frankfurt a. M. 1974, 198-216; R. M. HARE, Moralisches Denken: Seine Ebenen, seine Methode, sein Witz, Frankfurt a. M. 1992. Für wichtige Differenzierungen des Begriffs der Universalisierbarkeit vgl. R. WIMMER, Universalisierung in der Ethik: Analyse, Kritik und Rekonstruktion ethischer Rationalitätsansprüche, Frankfurt a. M. 1980.

[ 6 ] Freilich bringt die Forderung nach einem solchen Rollentausch epistemologische und psychologische Schwierigkeiten mit sich: Wie können Personen wissen, welche Präferenzen sie entwickelt hätten, wenn ihre Sozialisations- und Lebensbedingungen und ihre physische und/oder geistige Konstitution deutlich anders (gewesen) wären? Dieses Problem stellt sich insbesondere dort, wo der Rollentausch rein gedankenexperimentell bleiben soll, wie etwa im Falle des rawlsschen 'Urzustands'. Aber auch dort, wo ein diskursiver Austausch möglich ist, verschwindet das Problem nicht vollständig; es wandelt sich nur in das besser handhabbare Problem, die Plausibilität und Angemessenheit der Äußerungen von Diskurspartnern zu bewerten.

[ 7 ] B. SCHULIN, Krankenversicherung: 2. Rechtlich, in: W. KORFF/L. BECK/P. MIKAT (Hg.), Lexikon der Bioethik, Bd. 1, Gütersloh 1998, 476-478, hier: 476.

[ 8 ] Vgl. BSGE 26, 240, 242; vgl. auch zum Gesamtkontext W. MAZAL, Krankheitsbegriff und Risikobegrenzung: Eine Untersuchung zum Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung, Wien 1992, hier: 60ff.

[ 9 ] Vgl. mit weiteren Belegen MAZAL (Anm. 8), hier: 65: "Es gemahnt an einen Zirkelschluß, Krankheit durch das Vorliegen eines Zustandes zu beschreiben, der therapiert werden soll, obwohl eine Therapie auf Kosten der Krankenversicherung doch nur erfolgen kann, wenn der Zustand als Krankheit erkannt ist. In letzter Konsequenz würde man damit Regelwidrigkeit als Behandlungsbedürftigkeit bzw. die Behandlungsbedürftigkeit als Regelwidrigkeit erklären." Vgl. auch ebd. 12.

[ 10 ] R. SCHIMMELPFENG-SCHÜTTE, Zur Reform des ambulanten Leistungsrechts der Gesetzlichen Krankenversicherung, in: Medizinrecht 18 (2000) 512-516, hier: 513.


[ 11 ] MAZAL (Anm. 8), hier: 7; Hervorhebungen des Originals teilweise getilgt.

[ 12 ] Eine ähnliche Position wird von vielen sog. Kommunitaristen vertreten; vgl. z.B. M. SANDEL, The Procedural Republic and the Unencumbered Self, in: Political Theory 12 (1984) 81-96; zum Überblick vgl. R. FORST, Kontexte der Gerechtigkeit: Politische Philosophie jenseits von Liberalismus und Kommunitarismus, Frankfurt a. M. 1996; W. REESE-SCHÄFER, Grenzgötter der Moral: Der neuere europäisch-amerikanische Diskurs zur politischen Ethik, Frankfurt a. M. 1997, bes. Teil II, sowie die Beiträge in A. HONNETH, Kommunitarismus: Eine Debatte über die moralischen Grundlagen moderner Gesellschaften, Frankfurt a. M.; New York 1992.

[ 13 ] Vgl. M. NUSSBAUM, Non-Relative Virtues: An Aristotelian Approach, in: M. NUSSBAUM/A. SEN (Hg.), The Quality of Life, Oxford 1993, 242-269; M. NUSSBAUM, Menschliches Tun und soziale Gerechtigkeit: Zur Verteidigung des aristotelischen Essentialismus, in: H. STEINFATH (Hg.), Was ist ein gutes Leben? Philosophische Reflexionen, Frankfurt a. M. 1998, 196-234.

[ 14 ] Vgl. O. HÖFFE, Transzendentaler Tausch: Eine Legitimationsfigur für Menschenrechte?, in: S. GOSEPATH/G. LOHMANN (Hg.), Philosophie der Menschenrechte, Frankfurt a. M. 1998, 29-47, bes. 32ff.


[ 15 ] "As a first step, suppose that the basic structure of society distributes certain primary goods, that is, things that every rational man is presumed to want. These goods normally have a use whatever a person's rational plan of life." J. RAWLS, A Theory of Justice, Cambridge, Mass. 1971, hier: 62.

[ 16 ] J. HABERMAS, Faktizität und Geltung: Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats, Frankfurt a. M. 1992.

[ 17 ] Hierfür plädieren G. HESSLOW, Do we need a concept of disease?, in: Theoretical Medicine 14 (1993) 1-14 und U. WIESING, Kann die Medizin als praktische Wissenschaft auf eine allgemeine Definition von Krankheit verzichten?, in: Zeitschrift für medizinische Ethik 44 (1998) 83-97.

[ 18 ] NUSSBAUM, Menschliches Tun...(Anm. 13), hier: 214.

[ 19 ] S. GOSEPATH, Zu Begründungen sozialer Menschenrechte, in: S. GOSEPATH/G. LOHMANN (Hg.), Philosophie der Menschenrechte, Frankfurt a. M. 1998, 146-187, hier: 167.

[ 20 ] K. FEDORYKA, Health as a Normative Concept: Towards a New Conceptual Framework, in: The Journal of Medicine and Philosophy 22 (1997) 143-160, hier: 157.

[ 21 ] O. SEEWALD, Zum Verfassungsrecht auf Gesundheit, Köln 1981, v.a. 72ff.

[ 22 ] In diesem Sinne schreibt SEEWALD (Anm. 21, hier: 63f.), "dass Schrifttum und Rechtsprechung bestimmte Gesundheitsgefährdungen »tatbestandsmäßig« dem Recht auf Leben zuordnen".

[ 23 ] SEEWALD (Anm. 21), hier: 31.

[ 24 ] Vgl. C. BOORSE, On the Distinction between Disease and Illness, in: A. L. CAPLAN/T. ENGELHARDT/J. J. MCCARTNEY (Hg.), Concepts of Health and Disease: Interdisciplinary Perspectives, Reading, Mass. 1981, 545-560; für eine sorgfältige und vorsichtige Rekonstruktion des boorseschen Konzepts vgl. T. SCHRAMME, Patienten und Personen: Zum Begriff der psychischen Krankheit, Frankfurt a. M. 2000, v.a. 144ff.

[ 25 ] A. E. BUCHANAN/D. BROCK/N. DANIELS/D. WIKLER, From Chance to Choice: Genetics and Justice, Cambridge 2000, hier: 74, 73; vgl. N. DANIELS, Just Health Care, Cambridge 1985.

[ 26 ] BOORSE (Anm. 24), hier: 522.

[ 27 ] "P is healthy, if and only if, given standard circumstances, P has the ability to realize his or her vital goals. P's vital goals constitute the set of those states of affairs which are necessary and together sufficient for P's minimum happiness." L. NORDENFELT, Quality of Life, Health and Happiness, Aldershot u. a. 1993, hier: 8.

[ 28 ] Um ein solches Modell bemüht sich M. BOBBERT, Die Problematik des Krankheitsbegriffs und der Entwurf eines moralisch-informativen Krankheitsbegriffs im Anschluß an die Moralphilosophie von Alan Gewirth, in: Ethica 8 (2000) 405-440; hierzu kritisch L. THIELMANN, Ethische Grundlagen einer Prioritätensetzung im Gesundheitswesen, Bayreuth 2001, bes. 130ff. Vgl. zur allgemeinen These V. GERHARDT, Gesundheit - wozu? Eine philosophische Betrachtung, in: AGORA - Zeitschrift für philosophische Praxis 12/13 (1992) 7-13.

[ 29 ] Vgl. N. DANIELS, Justice, Fair Procedures, and the Goals of Medicine, in: Hastings Center Report 26 (1996) 10-12; vgl. auch A. E. BUCHANAN/D. BROCK/N. DANIELS/D. WIKLER (Anm. 25), bes. 21f. und 343f.

[ 30 ] Vgl. H. BAIER, Gesundheit als Lebensqualität: Folgen für Staat, Markt und Medizin, Zürich 1997; H. BAIER, Gesundheit als organisiertes Staatsziel oder persönliches Lebenskonzept: Zur Sozialgeschichte und Soziologie des Wohfahrtsstaates, in: H. HÄFNER (Hg.), Gesundheit - unser höchstes Gut?, Berlin u. a. 1999, 31-59. Zum US-amerikanischen Diskussionshintergrund vgl. T. H. ENGELHARDT, The Foundations of Bioethics. Second Edition, New York; Oxford 1996; T. H. ENGELHARDT, Health Care Reform: A Study in Moral Malfeasance, in: The Journal of Medicine and Philosophy 19 (1994) 501-516.




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